Sportschuhe im Kreislauf

Kreisläufe, CO2 und Akzeptanz

Olaf Winkler für kadawittfeldarchitektur im Gespräch mit Nachhaltigkeitsexperte Hon.-Prof. Dr. Sascha Peters

14. Oktober 2021
kadawittfeldarchitektur Nachrichten

Ein Gespräch mit Hon. Prof. Dr. Sascha Peters, Berater für innovative Materialien und Technologie, über Kreisläufe, Emission und Akzeptanz.

Olaf Winkler: Herr Peters, Sie beschäftigten sich mit neuen Materialentwicklungen, die mit natürlichen Ressourcen, biologischen Prozessen, Kreislaufökonomie umgehen. Wie weit ist die Baubranche?

Sascha Peters: Beim Thema Nachhaltigkeit besteht großer Nachholbedarf, in der Bau- wie in anderen Branchen. Das Ziel muss sein, eine Circular Economy auf allen Ebenen herzustellen. Dabei betrachten wir zwei Kreisläufe. Das eine ist der technische Kreislauf. Metalle beispielsweise lassen sich bereits sehr gut recyceln; im Hinblick etwa auf Beschichtungen, Farben, Lacke, Klebstoffe ist das viel schwieriger. Das andere ist der biologische Kreislauf. An der Schnittstelle zwischen Technologie und Biologie sind die weitreichendsten Innovationen zu erwarten. Vor der Industrialisierung haben wir kaum Abfälle hinterlassen; alles wurde verwertet und wiederverwertet, bis es in die Natur zurückging. Wie man diesen Ansatz in die Zukunft transformieren kann, ist unglaublich spannend.

Lassen sich schon konkrete Beispiele nennen?

Sascha Peters: Bindemittel etwa müssen nicht auf petrochemischen Prozessen basieren. Es gibt bereits Spanplatten, die sich durch Nutzung von Zellulosefasern aus Altpapier und eine enzymatische Behandlung vollständig in den biologischen Kreislauf fügen. Andere Beispiele sind Akustikabsorber, die aus Pilzen hergestellt werden, oder Schaumstoffe aus Algen. Noch in der Forschung ist die Anwendung von Chitin, das in den Panzern von Krebsen und Insekten vorkommt und thermoplastische Eigenschaften hat. Aus Wüstensand lassen sich Sandsteine unter Verwendung von Bakterien herstellen, die Calcit bilden, wodurch die Sandpartikel verbunden werden. Die Bandbreite ist enorm. Die Materialentwicklung ist aber nur das eine, das andere das Geschäftsmodell. Es ist wirtschaftlich nicht einfach, gegen Produkte anzutreten, die über Jahrzehnte optimiert wurden.

Sind Pilotprojekte auch deshalb eher in kleinen Anwendungen zu finden? Ungewöhnliche Materialien sieht man etwa in der Mode.

Die spektakulären Projekte kommen meist aus der Forschung oder von Designern. Sie treten stärker ins Licht, wenn große Unternehmen diese Entwicklungen aufgreifen. Adidas bringt jetzt Schuhe aus Pilzleder auf dem Markt; Hermès hat eine Tasche aus Pilzleder in der jüngsten Kollektion. Das Unternehmen, das dieses Material produziert, gibt es bestimmt schon seit 15 Jahren; so lange dauern diese Prozesse. Materialien auf Pilzbasis lassen sich übrigens etwa auch in Fassaden einsetzen. Pilze können flammhemmend sein oder wasserabweisend. Je nachdem, wie ich sie füttere oder behandele, kann ich ihre Eigenschaften verändern. Und wenn ich das Gebäude nicht mehr brauche, kann ich die Materialien recyceln oder es wuchert wie früher der Wald darüber.

Welche Rolle spielt die CO2-Bilanz?

Das ist für Architekten vielleicht noch interessanter: Wie gehe ich mit den Emissionen um, die vom Baugewerbe erzeugt werden? Es wird keine zehn Jahre mehr dauern, bis es Vorgaben gibt, wie viel CO2 ein Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg emittieren darf, im Bau und Betrieb. Spätestens dann wird es radikale Maßnahmen geben. Denken Sie an Zement und Bewährungsstahl – das sind energetisch hochintensive Materialien, zumal Zement beim Aushärten noch CO2 emittiert. Natürliche Materialien oder Prozesse sind demgegenüber interessant, weil ihr Kreislauf CO2-neutral ist. Heute wird auch bei höheren Gebäuden vermehrt mit Holz gebaut. Einerseits sind das meist gar keine reinen Holzbauten, sondern Holz-Beton-Hybridbauten, und der Holzpreis steigt dadurch. Andererseits: Wenn, sagen wir, die Hälfte der Konstruktion aus Holz ist, spare ich bereits entsprechend viel CO2; zudem ist CO2 im Holz gebunden. Wenn ich die Gesamtbilanz kalkuliere, sind das wichtige Faktoren. Es gibt auch Mineralien, die CO2 einlagern und wiederum in der Bauindustrie Verwendung finden können. Dann wird ein Gebäude nicht mehr CO2-Emittent, sondern -Speicher. Es gibt viele Entwicklungen, aber wir sind nicht so weit, wie wir sein müssten.

Ist bei den Nutzern die Akzeptanz da? Wandelt sich vielleicht auch die Ästhetik?

Die Akzeptanz ist da, aber nur, wenn das Gebäude genauso lange hält wie bisher. Darum dauern die Entwicklungen auch so lange; alles muss ja erst zertifiziert werden. Was die Ästhetik betrifft, sind mit Sicherheit ein paar Dinge zu bedenken. Zum Beispiel sind vor einigen Jahren Chrom-6-Verbindungen verboten worden, da Chrom-6 krebserregend ist. Es ließen sich andere Chromverbindungen nutzen, aber nicht zum gleichen Preis und mit der gleichen Qualität. Die Frage ist also, ob wir im Hinblick auf Nachhaltigkeit in Zukunft hochglänzende Oberflächen überhaupt noch als hochwertig betrachten werden. Werden wir nicht Oberflächen als reizvoller empfinden, wenn sie eine natürliche Patina entwickeln, wie wir sie ja zum Beispiel an Gebäuden in Italien so lieben? Diese Entwicklung geht auch vom Nutzer aus. Wenn er sie nicht akzeptiert, wird es keine Veränderung geben.

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Bild: Sportschuhe mit Obermaterial aus Pilzleder (Quelle: Adidas)