Natur als Vorbild
Funktionsintegration mit natürlichen Materialien
merlin Magazin
3-2019
Herausgeber
Innovationsnetzwerk smart3
Seit einigen Jahren wird von den smart materials ein hohes Anwendungspotenzial in der Industrie, im Design oder in der Architektur erwartet. Einige Werkstoffexperten gehen sogar so weit, dass sie in den nächsten 20 Jahren einen Wandel von Produkten mit hoher Komplexität hin zu solchen mit struktureller Einfachheit prophezeien.
Funktionen werden vom Material übernommen, die Intelligenz ist quasi in den Werkstoff integriert. Weltweit arbeitet derzeit eine Vielzahl von Forschergruppen an der Erschließung der Potenziale von smart materials. Während sich die einen der Weiterentwicklung von Hightech-Werkstoffen wie den thermischen und magnetischen Formgedächtnislegierungen (FGL), Piezokeramiken oder elektroaktiven Polymeren verschreiben, versuchen andere, die Werkstoffintelligenz mit natürlichen Materialien umzusetzen und Vorgänge aus der Natur nachzuahmen.
Materialintelligenz in der Natur
So weist beispielsweise die Oberfläche der Birkenrinde stark wasserabweisende, rutschfeste und antiseptische Eigenschaften auf, die für Lebensmittelverpackungen und Anwendungen in Sport oder Nassräumen geeignet sind. Die Qualitäten gehen auf den sekundären Pflanzenstoff Betulin zurück, der sowohl für die weiße Färbung verantwortlich ist, als auch den Baum vor UV-Strahlung schützt und ihm antimykotische Eigenschaften verleiht.
Birkenrinde ist somit hervorragend zur Aufbewahrung von Lebensmitteln geeignet. Angewendet schützen die Aufbewahrungsbehälter „Tuesa“ den Inhalt vor Schimmelpilzen und verlängern die Haltbarkeit um ein Vielfaches.
Der Botaniker Prof. Wilhelm Barthlott an der Universität Bonn und Prof. Thomas Schimmel vom Institut für Angewandte Physik (KIT) untersuchen, wie funktionale Luftschichten an Werkstoffoberflächen erzeugt werden können. Dieses Phänomen wird als „Salvinia Effekt“ bezeichnet. Einige Tiere und Pflanzen wie zum Beispiel Rückenschwimmer und Schwimmfarne weisen eine stark wasserabweisende und superhydrophobe Oberfläche auf.
Unter Wasser getaucht, bildet sich eine dauerhaft stabile Luftschicht aus. Es gelangt kein Wasser zwischen die feinen Härchen, die Luftschicht wird eingeschlossen und wirkt reibungsreduzierend. Im EU-Projekt „AIRCOAT“ wird gerade eine Beschichtung für Bootsrümpfe entwickelt, um Energieverbrauch und Abgasemissionen im Bootsverkehr zu reduzieren.
Die Designer Jann Jon Fadri und Florin Stettler aus Basel möchten mit ihrer „Vaneo Active Wall“ Holzfassaden und -oberflächen auf Feuchteeinflüsse reagieren lassen. Dazu machen sie sich die hygroskopischen Eigenschaften von dünnen Holzschichten zunutze, die sich bei Änderung der Luftfeuchtigkeit verformen und dabei Öffnungen in der architektonischen Haut zulassen.
Der Effekt geht darauf zurück, dass Zellulosefasern bei Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit in der Umgebung Wassermoleküle in der Faserstruktur binden. Dabei kommt es zu einer Volumenänderung, die bei vielen Holzarten in der Wachstumsrichtung der Faser höher ausfällt als quer dazu. Werden die Fasern in dünnen Holzlagen bewusst ausgerichtet und die Schichten fest miteinander verbunden, entstehen bei unterschiedlichen Ausdehnungsrichtungen der Fasern Spannungen, die Formveränderungen hervorrufen können.
Einem Forscherteam der Universität Stuttgart ist es mit einem ähnlichen Ansatz gelungen, eine formveränderliche architektonische Struktur eines Holzfilaments herzustellen: Die Spannungen werden durch die hygroskopischen Eigenschaften von Holz durch Ausrichten der Zellulosefasern beim 3D-Drucken erzeugt.
Die Drucktechnologie wurde bereits so weit entwickelt, dass die 4DmultiMATS auf Schwankungen der Luftfeuchtigkeit reagieren. Ziel der Wissenschaftler ist es, Fassadenelemente aus Holz zu drucken, die sich bei Sonnenschein öffnen und unter Einfluss von Regen, Nebel und Feuchtigkeit wieder verschließen.
Der Artikel ist erschienen im Merlin Magazin des Innovationsnetzwerks smart3 unter Leitung des Fraunhofer IWU in Dresden.
Bild: Türgriff aus antibakterieller Birkenrinde (Quelle: betula manus)
Snowboard aus Hanf
4. November 2024
Silbaerg hat im Durobast-Projekt ein Snowboard aus Hanffasern und biobasiertem…
Tellur-freie thermoelektrische Generatoren
24. Mai 2024
Am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden wurde ein…
Biogene Zementbaustoffe
28. November 2024
Die Dekarbonisierung der Zementindustrie ist notwendig. Forschende am…
Transluzentes 3D-Druckmaterial
17. Juni 2024
Mit einem 3D-Druckverfahren ist es am Fraunhofer IPA gelungen, hinterleuchtete…
Hybridelektrisches Fliegen
14. September 2024
Unter Federführung von Rolls Royce Deutschland haben mehrere…
Emotionalität humanoider Roboter
17. Juli 2024
In seiner Masterthesis hat Niko Alber eine Installation eines lebensgroßen…
Perowskit-Solarzellen der nächsten Generation
7. August 2024
Im EU-Forschungsprojekt PEARL erfolgt eine Weiterentwicklung von…
Smart Ring
27. Februar 2024
Durch Miniaturisierung von Sensorik und Antenne in einen Ring haben Start-Ups…