Neue Kohlen-stoffmaterialien
Organobleche, Karbonnanotubes, Graphen
Design Report
6-2012
Verlag
Konradin Medien (Stuttgart)

Diamant, Graphit, Ruß: All diese Materialien basieren auf Kohlenstoff, ihre Eigenschaften sind uns schon seit Jahrhunderten bekannt. Wer kennt nicht den allseits beliebten Bleistift, dessen Schreibwirkung eigentlich auf einer Graphitmine basiert.
Stabile Nanoröhren aus Kohlenstoff
Seitdem die Wissenschaft, Strukturen auf Nanoebene untersuchen und beeinflussen kann, sind nun neue Kohlenstoff-Werkstoffe auf dem Vormarsch, die in einer ganzen Reihe von Anwendungen neue Lösungen mit hoher Langlebigkeit sowie gewichtsreduzierter Konstruktion möglich machen und einige Produktbereiche vollständig revolutionieren könnten.
Carbonnanotubes und Graphen lauten die neuen Stars der Forschung, die auf eine fünf- bzw. sechseckige Anordnung von Kohlenstoffatomen zurückgehen und einige herausragende Eigenschaften aufweisen. Der wohl bekannteste Vertreter der Kohlenstoffinnovationen ist die Carbonnanotube (CNT).
Sie ist eine besonders stabile Konfiguration einer sechseckigen Wabenstruktur entlang einer Röhre mit der Größe weniger Nanometer und mechanisch hochbelastbar. Theoretisch ist sie etwa fünfmal stabiler als Stahl und doppelt so hart wie ein Diamant. Die Potenziale von Carbonnanotubes für den Leichtbau sind offensichtlich, daher loten derzeit einige Unternehmen die Anwendungsmöglichkeiten aus.
So untersucht Ruch Novaplast CNT-Beimischungen in Partikelschäumen, um Schaumstoffe mit außerordentlicher Festigkeit für den Leichtbau im Kfz-Bereich zu erschließen.
Future Carbon aus Bayreuth fokussiert sich im Projekt Carbo Space hingegen auf die Verbesserung kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffbauteile für Weltraumanwendungen.
Zu dem Zweck fertigt das Unternehmen CNT-modifizierte Polymer-Komposit-Materialien, die den extremen Bedingungen der Raumfahrt standhalten und Ultra-Leichtbaulösungen ermöglichen. Die Polymerverbunde verbessern durch die Zugabe der Kohlenstoffröhren zudem ihre elektrische Leitfähigkeit und elektromagnetische Abschirmfunktionen.
Für die Einbindung der Carbonnanotubes sind insbesondere die Qualitäten des Matrixmaterials entscheidend. Hier gelang es Future Carbon, die mechanischen Eigenschaften des Reaktivharzes (auf Basis von Epoxid- oder Cyanatesterharzen) grundlegend zu verbessern. Die Bruch- und Scherfestigkeit wurde um rund 50 Prozent gesteigert – und das bei deutlich höheren Einsatztemperaturen.
Mit Zentallium hat die Zoz Group in Kooperation mit Bayer MaterialScience einen metallischen Leichtbauwerkstoff entwickelt, der die Qualitäten von Carbonnanotubes optimal für die Anforderungen der Luft- und Automobilindustrien erschließt. Denn Zentallium ist ein Verbundmaterial aus einem Aluminiumbasiswerkstoff und einer CNT-Verstärkung.
Im Kern besteht das Material aus einer Matrix mit einem nanostrukturierten Aluminiumgefüge, in das Nanoröhren eingebettet werden. Es weist daher Festigkeiten auf, die über denen von Edelstählen liegen und das Niveau von Baustählen erreichen.
Die Zoz Group verwendet den Leichtbauwerkstoff unter anderem zur Entwicklung von leichtgewichtigen Konstruktionen für eCars. Jüngst wurde Zentallium erfolgreich in einem RC-Helikopter getestet.
Hauchdünne Wunderfolie
Genau wie Carbonnanotubes besteht auch Graphen aus wabenartig orientierten Kohlenstoffatomen. Es ist jedoch nur eine Atomlage dick, optisch transparent und weist eine besonders hohe Elektronenmobilität auf. Diese übersteigt die von Silizium um das 200fache, was Graphen für den Ersatz von Silizium in Computerchips oder Solarzellen interessant werden lässt.
Man spricht sogar schon davon, dass es die heutige Elektronik revolutionieren könnte. So ließen sich mit Graphen wesentlich kleinere Schaltkreise realisieren als mit Silizium. Die Speicherkapazität von Festplatten könnte enorm gesteigert werden und Graphen-Chips mit einer Taktrate von über 100 Gigahertz möglich machen.
Zudem ließe sich die Transparenz des Materials vorteilhaft für Displays und Leuchtdioden nutzen. Obwohl erst seit 2004 an dem Werkstoff geforscht wird, gilt Graphen bereits als „Wunderfolie“ der Innovationsforschung. Als einer der ersten Elektronikkonzerne hat Samsung vor ein paar Monaten den erfolgreichen Bau einer Transistorstruktur aus Graphen gemeldet.
Vielseite Organobleche
Ein weiterer Innovationsbereich auf Basis von Kohlenstoff, dem sich eine ganze Reihe von Herstellern (wie beispielsweise Bond Laminates) widmen, ist die Optimierung so genannter Organobleche. Dabei handelt es sich nicht um eine besondere Anordnung von Kohlenstoffatomen in Nanodimension, sondern um kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffplatten.
Man versteht sie im Kontext von Blechen, da sie ähnlich hohe Festigkeiten aufweisen können wie Metalle. Als organisch wird das Matrixsystem bezeichnet, da es auf petrochemische Erzeugnisse auf Basis von Erdöl zurückgeht.
Besteht die Kunststoffplatte aus einem Thermoplast wie PP, TPU oder PA, lassen sich Organobleche unter Wärmeeinfluss verformen und für vielfältige Anwendungen in Sport, Orthopädie und Fahrzeugbau einsetzen.
Unternehmen wie Evonik bringen hingegen Organobleche als Decklage auf einen hochfesten Kernschaum auf. So können selbst flächige Fahrzeugteile aus Kunststoffen realisiert werden, die bislang vornehmlich aus Metallen gefertigt wurden.
Dabei ergibt sich nicht nur eine erhebliche Gewichtsabnahme in einer Größenordnung von bis zu 60 Prozent, sondern es lassen sich Bauteile in wenigen Minuten bei Temperaturen weit über 130 °C und hohem Druck schnell und wirtschaftlich umsetzen.
Ob in Form von Organoblechen, Carbonnanotubes oder Graphen: Derzeit erhalten Kohlenstoffmaterialien in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen Einzug in vielfältige Anwendungen und Märkte. Das eröffnet gänzlich neue Gestaltungsoptionen – auch für Produktentwickler und Industriedesigner!
www.ruch.de
www.future-carbon.de
www.zoz-group.de
www.bond-laminates.de
www.evonik.de
Bild: Struktur einer Kohlenstoffnanoröhre (Quelle: wikipedia)
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