Urbach Turm
Weltweit erste selbstformend erzeugte Holzkonstruktion
26. August 2019
Holz arbeitet unter Einfluss von Feuchtigkeit. Was vielfach als Nachteil gilt, versuchen Wissenschaftler am ICD und ITKE der Universität Stuttgart positiv zu nutzen und die Feuchteempfindlichkeit der Holzfaser zur Selbstformung zu verwenden. Mit dem 14 Meter hohen Urbach Turm ist den Forschern die weltweit erste bauliche Anwendung einer tragenden Holzkonstruktion aus komplex gekrümmten und selbstformend hergestellten Holzbauteilen gelungen.
Selbstformender Prozess durch industrielle Trocknung
Der Turm stellt einen Paradigmenwechsel im Holzbau dar. Er wurde als Station der Gemeinde Urbach für die Remstal Gartenschau 2019 entwickelt und ist noch bis zum 20. Oktober 2019 zu sehen. Die markante Form des gut 14 Meter hohen und vier Meter Durchmesser aufweisenden Turms entstand in einem neuartigen Prozess der Selbstformung komplex gekrümmter Bauteile.
Die Wissenschaftler haben dazu das für Holz charakteristische Arbeiten des Materials bei Verringerung des Feuchtegehalts genutzt. Es geht auf die unterschiedliche Ausdehnung in Wachstumsrichtung der Faser und quer dazu bei den meisten Holzsorten zurück. Die Holzelemente des Turms wurden im ebenen Zustand laminiert. Die vorausberechneten gekrümmten Formteilgeometrien erhielten die Elemente dann im Rahmen eines industriellen Trocknungsprozesses.
Im Gegensatz zu den sehr aufwändigen und energieintensiven konventionellen Formungsprozessen mit Presswerkzeugen, verformt sich das Material von selbst. Auf diese Weise eröffnet der Prozess gänzlich neue architektonische Optionen unter Verwendung des nachhaltigen, erneuerbaren und regional verfügbaren Baumaterials Holz.
Der Turm auf der Remstal Gartenschau ist die weltweit erste bauliche Anwendung dieser Entwicklung, die in einer Kooperation des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und des Labors für Angewandte Holzforschung der Empa Schweiz entstand.
Entwurf und Planung des Turms erfolgten durch die beiden Institute Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE). Der Industriepartner für die Herstellung der selbstformenden Holzbauteile und die Ausführung des Turms ist die Blumer Lehmann AG.
Das Projekt zeigt auf anschauliche Weise, wie der Einsatz digitaler Planungs-, Simulations- und Fertigungsverfahren neue Möglichkeiten selbst für traditionelle Bauwerkstoffe wie das Holz eröffnet. Der Ansatz wird an der Universität Stuttgart in dem neu eingerichteten Exzellenzcluster „Integratives Computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur“ in den nächsten Jahren intensiv weiter erforscht.
Bilder: Urbach Turm (Quelle: ICD, Universität Stuttgart)
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