Biokunststoffe aus Altbackwaren
Wissenschaftler stellen Basischemikalie aus nicht verkauften Brötchen her
30. August 2021
In Deutschland fallen jährlich über 500.000 Tonnen Altbackwaren an, die nicht ohne Weiteres für den weiteren Verzehr oder als Futtermittel geeignet sind. Bisher erfolgt deren Nutzung hauptsächlich energetisch in Verbrennungsprozessen oder Biogasanlagen. Altbackwaren wie Brot, Brötchen oder Kuchen enthalten große Mengen Stärke. Diese lässt sich zu der Basischemikalie HMF umsetzen, die ein Potenzial für eine Vielzahl von Anwendungen bietet. Wissenschaftlern am Fraunhofer WKI in Braunschweig und an der Universität Hohenheim ist es gelungen, aus Altbackwaren Hydroxymethylfurfural (HMF) zu gewinnen. Mit HMF aus Salatabfällen steht ein Ausgangsstoff zur Verfügung, der zum Beispiel Formaldehyd in biobasierten Klebstoffen ersetzen kann.
Reversibles Lösen für Selbstheilungseigenschaften
Das Projektteam an der Universität Hohenheim erarbeitete einen Prozess zur sogenannten hydrothermalen Behandlung der Altbackwaren, durch den feuchte Biomassen unter Hitze und leicht erhöhtem Druck umgewandelt werden. Aus den Altbackwaren und der in großen Mengen enthaltenen Stärke entsteht dabei HMF in wässriger Lösung und Kohle. Die Prozessparameter wie pH-Wert, Temperatur und Dauer wurden dabei so gewählt, dass möglichst hohe Ausbeuten an HMF erzielt werden konnte. Als Nebenprodukt der hydrothermalen Behandlung entsteht Kohle. Sie kann als Biobrennstoff oder als Bodendünger eingesetzt werden. Gleichzeitig ist sie ein gutes Adsorptionsmittel und kann daher als Aktivkohle eingesetzt werden.
„Wir am Fraunhofer WKI hatten die Aufgabe, das HMF aus der wässrigen Lösung zu isolieren und weiterzuverarbeiten“, sagt Dr. Steven Eschig (Projektleiter am Fraunhofer WKI). Er und sein Team fanden heraus, dass Methylisobutylketon (MIBK) als Extraktionsmittel besser funktioniert als Chloroform (CHCI3) und sich die Zugabe von Natriumchlorid positiv auf die extrahierte Menge auswirkt. Außerdem konnten sie Polyester unter Verwendung von Furandicarbonsäure herstellen und charakterisieren.
HMF ist ein vielseitiger Ausgangsstoff, da er als Ersatz für Formaldehyd dienen kann, beispielsweise in formaldehydfreien Harzen und Bioklebstoffen. Außerdem kann er chemische Bindungen ausbilden, die sich bei Temperaturerhöhung wieder lösen lassen. Das ermöglicht die Herstellung von Materialien mit Selbstheilungseigenschaften. Die Möglichkeit des reversiblen Lösens der chemischen Bindungen kann außerdem für schaltbare Klebstoffe genutzt werden, wodurch sich neue Recyclingmöglichkeiten ergeben.
Über chemische Veränderungen können aus HMF sogenannte Dialkohole (reduktiv) oder Dicarbonsäure (oxidativ) gewonnen werden. Sie lassen sich als Baustein für Polymere einsetzen, beispielsweise zur Herstellung von Beschichtungen oder Fasern. Die Herstellung des Kunststoffs Polyethylenfuranoat (PEF) als PET-Ersatz ist bereits erprobt. PEF aus nachwachsenden Rohstoffen ist nicht nur ökologisch vorteilhaft, es ist außerdem leichter und beständiger und daher von großem Interesse für die Getränkewirtschaft.
Fotos: HMF als braune wässrige Lösung und als bräunlicher Feststoff und Kohle (hier pulverförmig). HMF lässt sich unter anderem zu Polyesterharzen weiterverarbeiten. Diese können zur Herstellung von wässrigen Polyurethandispersionen genutzt werden (weiße Flüssigkeit) (Quelle: Manuela Lingnau, Fraunhofer WKI)
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