Die Zukunft multidisziplinärer Innovationsprozesse zwischen Design und Engineering

Hochschule Pforzheim

9. November 2010

Die Frage nach der Bedeutung von Design und den Einflüssen kreativer Dienstleistungen auf Wirtschafts- und Innovationsprozesse ist so alt wie die Professionen selber. Daran hat sich auch in den letzten Jahren wenig geändert, obwohl in Publikationen und auf Konferenzen die typischen Fragestellungen immer wieder diskutieren werden. „Welchen Anteil hat Design am Erfolg von Innovationen?“, „Wie lässt sich die Qualität von Kreativleistungen messen?“, „Was dürfen diese kosten und wie kann man sie steuern?“. Das Unbehagen gegenüber Vertretern der so genannten kreativen Industrien, gegenüber Designern, Werbern und Architekten, ist tief verwurzelt in einer Gesellschaft, deren wirtschaftlicher Erfolg seit jeher auf den Fundamenten technologischer Exzellenzen basiert.

Die Zukunft gehört der multidisziplinären Kooperation im Entwicklungsprozess!

Jüngster Beleg für die Situation ist die Berichterstattung zur jährlich stattfindenden Los Angeles Design Challenge, zu deren Anlass die in Kalifornien ansässigen Designstudios der Automobilkonzerne mit großem Aufwand zukunftsweisende Mobilitätskonzepte entwickeln. Wurde in 2006 der Artikel über die Beiträge zu natürlich abbaubaren Fahrzeugkarosserien und ressourcenschonenden Antrieben von einem der hiesigen Blätter mit dem Titel „Ideen für den Komposthaufen“ versehen, so sprach man im Vorjahr gar vom „Amoklauf der Designer“. Also alles beim Alten? Die Kreativen, die Spinner, die Gestörten…. Sie haben anscheinend keinen Platz in unseren Strukturen, die auf sicheres Wachstum und die Wahrung von Statussymbolen ausgelegt sind.

Doch seit einigen Jahren ist das Gefüge in Bewegung. Aufgeschreckt durch eine Reihe von Innovationsstudien, in denen den deutschen Unternehmen, die Fähigkeit abgesprochen wird, technologische Neuerungen in marktfähige und gewinnbringende Produkte zu überführen, erhält die Diskussion um die Bedeutung professioneller Kreativer für Innovationsprozesse neues Futter. Hybrid-Motor, MP3-Format, Computer: Die Liste revolutionärer deutscher Erfindungen ist lang; doch die wirtschaftlicher Misserfolge ist es ebenso. Deutschland ist zwar das „Land der Erfinder“ und nimmt bei den Patentanmeldungen im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Doch seitdem belegt ist, dass die Anzahl von Patenten nicht mehr gleichzeitig mit wirtschaftlichem Erfolg einhergeht, suchen Unternehmer und Politiker nach neuen Indikatoren. Denn auch die deutsche Wirtschaft kann es sich nicht länger erlauben, zwar revolutionäre Technologien wie das MP3-Format oder den GRM-Effekt, die Grundlage zur Speicherung großer Datenmengen auf Festplatten, hervorzubringen, die Vermarktung aber anderen Volkswirtschaften zu überlassen.

Es reift die Erkenntnis, dass es nicht mehr ausreicht, Technologien und Werkstoffe mit Funktionalitäten im Promillebereich hinter dem Komma hervorzubringen. Die Menschen in den westlichen Nationen haben alles, was sie zum Leben brauchen und sehnen sich nach Produkten, die ihre Bedürfnisse befriedigen, noch bevor sie in der Lage sind, diese in Worte zu kleiden. Personen zur Frühindikation von gesellschaftlichen Entwicklungen sind demnach gefragt, die ob ihrer Ausbildung und Denkweise eine Fähigkeit mitbringen, die Vertretern technologischer Disziplinen in der Regel verborgen bleibt. Technik- und Detailverliebtheit sind gar Hemmschuhe für den Produkterfolg (Bochumer Institut für angewandte Innovationsforschung, 1/2007). Das Verständnis für die Wünsche des Kunden und die frühzeitige Ausrichtung von Produktentwicklungen auf die Bedürfnisse des Marktes sind vielmehr die heutigen Indikatoren für den Erfolg. Den Moment zu befördern, in denen sich der Kunde für ein Produkt entscheidet, das ist der entscheidende Erfolgsfaktor in Zeiten des Überflusses. Und eben diese Fähigkeit wird Vertretern kreativer Industrien im Besonderen den Designern zugewiesen, was den marktzugewandten Disziplinen wie Design, Marketing und Architektur eine größere Bedeutung im Innovationsprozess beräumt.

Die Reaktionen auf diesen Sachverhalt sind bemerkenswert: So erkennt die Wirtschaftsförderung professionelle Kreative mittlerweile nicht mehr nur als Standortfaktor sondern auch als wichtige Komponente und Impulsgeber im Innovationsprozess. Nicht ohne Grund fragte auch die Konferenz „creative industries – made by design“ im Oktober 2008, ob nach dem „Technology-Push“ jetzt der „Kreativ Pull“ kommt und sich somit der traditionelle Innovationsprozess umkehrt. Denn sind die kreativen Disziplinen meist erst am Ende einer Produktentwicklung gefragt, um einem technischen Produkt eine oberflächliche „Aufhübschung“ zu geben und für den Markt vorzubereiten, wird von den Innovationsanalysten eine zentralere Bedeutung kreativer Disziplinen gefordert. Frühzeitig in Innovationsprozesse integriert, können insbesondere Designer bei der Entwicklung des Anwendungszusammenhangs für neue Produkte ein Wörtchen mitsprechen, so die Theorie. Sie sind es, die schlummernde Bedürfnisse beim Kunden wecken und den technologischen in einen emotionalen Mehrwert überführen.

Dr. Sascha Peters war am 9. November nach Pforzheim eingeladen, seine Vorstellungen zur Förderung erfolgreicher Innovationsprozesse unter Integration professioneller Designer zu präsentieren.

Bild: Löschroboter OLE, Design: Jana Peterschmidt (Quelle: HS Magdeburg – Institut für Industrial Design, Fraunhofer IFF)