
Die Zukunft der additiven Fertigung
Sabine Ostmann im Gespräch mit Technologieexperte Hon.-Prof. Dr. Sascha Peters
9. September 2021
Blog der Internationalen Eisenwarenmesse
Ein Gespräch mit Hon. Prof. Dr. Sascha Peters über die Entwicklungsschwerpunkte des 3D-Druck mit Bezug auf eine Sonderfläche anlässlich der Internationalen Eisenwarenmesse in Köln.
Sabine Ostmann: Die Zukunft der additiven Fertigung: biobasierte Werkstoffe, innovative Metall-Anwendungen und 4D-Druck Herr Dr. Peters, mit jährlichen Steigerungsraten von zeitweise mehr als 20 Prozent hat der 3D-Druck in der Industrie stark an Bedeutung gewonnen. Wie wird die Entwicklung weitergehen?
Sascha Peters: Aktuell kann man sagen: Technisch ist vieles möglich, es muss sich nur rechnen. Nach der Stagnation infolge der Corona-Pandemie und einer Marktbereinigung entwickelt sich additive Fertigung von der Nischentechnologie zum „New Normal“. Überall dort wo es Sinn macht, etwa bei kleinen individuellen Formbauteilen, tritt sie gleichberechtigt neben klassische Verfahren oder übertrifft diese sogar. Laut einer Studie der ING Bank dürfte das zwischen 2040 und 2060 der Fall sein. Bei langen Formaten oder extrudierten Materialien bleiben allerdings konventionelle Produktionstechniken mittelfristig die bessere Lösung.
Längst werden bei der additiven Fertigung nicht mehr nur Kunststoffe und Metalle verarbeitet. Auch Beton und biobasierte Werkstoffe kommen zum Einsatz. Welchen innovativen Materialien gehört die Zukunft?
Sascha Peters: Das Materialspektrum wurde in den vergangenen 2 bis 3 Jahren stark erweitert. Für die Zukunft sehe ich vor allem zwei wichtige Entwicklungen. Zum einen sind das Bedruckverfahren, bei denen Hochleistungswerkstoffe neue Funktionen ermöglichen. 3D-Bauteile aus dem Drucker werden mit zweidimensionalen elektronischen Komponenten wie Batterien, Solarzellen, Sensoren, Platinen sowie OLEDs (organische Leuchtdioden) bedruckt. Das Verfahren wird auch als 2,5D-Druck bezeichnet und verknüpft verschiedene Zukunftstechnologien mit den Möglichkeiten der additiven Fertigung. Interessante Einsatzmöglichkeiten ergeben sich beispielsweise bei digitalen Anwendungen in Intralogistik, Industrie 4.0 und Robotik.
Der zweite wichtige Materialtrend folgt dem Megatrend Nachhaltigkeit. Ständig werden neue spannende biobasierte Werkstoffe entwickelt. Hier kommt es allerdings darauf an, wie aufwändig und energieintensiv es ist, daraus Druckmaterialien in Pulverform herzustellen. Vielfach bringt das einen hohen energetischen Aufwand mit sich und lohnt sich nicht immer. Besser sieht die ökologische und ökonomische Bilanz bei biobasierten Reststoffen aus, vor allem bei biologisch abbaubaren Materien.
Auf der nächsten INTERNATIONALEN EISENWARENMESSE werden wir zum Beispiel biologisch abbaubare Turbinenblätter mit hoher Festigkeit vorstellen, die aus Zellulose, Chitin und einem Pilz gedruckt sind. In der Herstellung kosten die ganze 8 US-Dollar. Solchen natürlichen Materialien gehört die Zukunft.


Wie weit ist der Weg vom 2,5D- und 3D-Druck zum 4D-Druck?
Sascha Peters: Ein spannendes Thema mit großem Potenzial: dreidimensional gedruckte Materialien, die auf äußere Einflüsse, etwa Temperatur, Licht, Magnetismus oder Feuchtigkeit, reagieren und ihre Form verändern – das ist die vierte Komponente. Anwendungspotenziale sehen wir aktuell im Bereich der Medizintechnik: zum Beispiel Stents oder individuelle Cochlea-Implantate aus Form-Gedächtnis-Legierungen, die als dünne Stäbchen ins Ohr eingeführt werden und erst unter dem Einfluss der Körpertemperatur die typische Schneckenform annehmen. Die Automobilindustrie erforscht 4D-Reifen, die ihr Profil unter Feuchtigkeitseinwirkung verändern. Ideen gibt es en masse – aber bis zur Realisierung wird es noch 10 bis 15 Jahre dauern.
Welche Innovationen aus dem 3D-Druck werden wir auf der nächsten Eisenwarenmesse zu sehen bekommen?
Sascha Peters: Auf der INTERNATIONALEN EISENWARENMESSE gestalten wir gemeinsam mit Partnern eine „Innovationsshow“ und zeigen neue Perspektiven und Anwendungen für die additive Fertigung. Neben den bereits erwähnten biologisch abbaubaren Turbinenblättern und mit elektronischen Komponenten bedruckten Kunststoffbauteilen, präsentieren wir auf der Innovationsshow als besonders Highlight auch neue Metallwerkstoffe: Kupfer, Zink und Messing, konnten bislang noch nicht ohne Weiteres additiv verarbeitet werden. Vor allem Kupfer ist aufgrund seiner wärmeleitenden Eigenschaften schwierig als Pulver aufzuschmelzen. Doch jetzt hat ein Hersteller eine Lösung gefunden. Auf jeden Fall eröffnen diese Werkstoffe neue Perspektiven für den Metalldruck, zum Beispiel bei Ersatzteilen für Motoren oder für den Bau.
Bild: 3D gedruckte Stahlbrücke (Quelle: TU Darmstadt)
Bilder: Impressionen der Sonderfläche „Additive Hardware“ aus dem Jahr 2018 (Quelle: Sascha Peters)
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