Die Natur kennt keinen Müll
Ronny Waburek im Gespräch mit Hon.-Prof. Dr. Sascha Peters
19. Januar 2021
INSIDE Spezial – Neue Ideen
Die Möbelbranche gilt als konservativ – das hat gute und schlechte Seiten. Zur schlechten gehört, dass das Thema Kreislaufwirtschaft noch nicht ernst genug genommen wird. Dabei stehen die Zeichen längst auf Wandel. Davon ist zumindest Dr. Sascha Peters überzeugt. Der Materialexperte und Gründer von Haute Innovation in Berlin hat aber bereits ein Unternehmen in der Möbelbranche ausgemacht, das mit gutem Beispiel vorangeht.
INSIDE: Noch nie wurde so viel über den notwendigen Wandel vom linearen Wirtschaftssystem zum Kreislaufsystem geschrieben und gesprochen wie aktuell. Und trotzdem geht es nur langsam voran. Woran hapert es eigentlich?
Dr. Sascha Peters: Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Probleme. Das erste besteht darin, dass wir die Verantwortung für die Produktion eines Produkts und die Verantwortung für die Entsorgung getrennt haben. Oder anders gesagt: Derjenige, der am Anfang der Kette steht, macht sich noch zu wenig Gedanken darüber, was am Ende mit den Ressourcen passiert, die er eingesetzt hat. Das zweite Problem: Bei vielen Produkten werden heutzutage unterschiedlichste Materialien vermischt, verklebt oder auf andere Weise verbunden. Das allerdings macht es schwierig, die Materialien wieder zu verwerten. Da braucht man sich nur zu überlegen, woraus eine Spanplatte besteht.
INSIDE: Wer wäre denn jetzt am Zug, diese Probleme zu lösen? Politik? Verbraucher? Industrie? Genau genommen müssten doch alle mit im Boot sein.
Dr. Sascha Peters: Richtig. Allerdings hält sich die Politik erstmal zurück, weil man dort sagt: Wir greifen erst ein, wenn wir sehen, dass es in eine ganz falsche Richtung geht. Mal abgesehen davon fällt es der Politik natürlich schwer, Innovationen zu bewerten, die zu mehr Nachhaltigkeit führen.
INSIDE: Also hat die Politik versagt?
Dr. Sascha Peters: Nun ja, zwei recht wirkungsvolle Instrumente gibt es: die Recycling-Quote und die CO2-Bepreisung. Die CO2-Bepreisung spielt bei Möbeln aus meiner Sicht eine eher untergeordnete Rolle. Als Möbelhersteller, dessen wichtigstes Rohmaterial Holz ist, könnte man argumentieren, dass man ja kaum CO2 emittiert sondern vor allem einlagert. Aber auch da gibt es Prozesse, die nachhaltiger gestaltet werden können – insbesondere in der Logistik.
INSIDE: Wie sehen Sie das bei Küchen? Dort sind immerhin viele Geräte verbaut – Backöfen, Geschirrspüler, Kühlschränke.
Dr. Sascha Peters: Na klar, bei Küchen spielt das eine Rolle. Bei Geräten geht’s nicht nur um CO2 und um Recycling, sondern um ganz andere Fragestellungen – beispielsweise um den Korrosionsschutz bei Oberflächen. Chrome VI, ein krebserregender und umweltschädlicher Stoff, ist dafür ein gutes Beispiel. Da hat die Politik lange gewartet, in der Hoffnung, dass die Industrie Alternativen entwickelt. Passiert ist aber nichts – bis es schließlich doch Gesetze gab, die die Verwendung von Chrome VI einschränken.
INSIDE: Wenn man Kreislaufwirtschaft radikal denkt, dann müssten sich auch die Ansprüche der Verbraucher an Oberflächen verändern, oder?
Dr. Sascha Peters: Wir als Verbraucher werden uns mehr daran gewöhnen, dass sich Oberflächen im Laufe der Zeit verändern und – wie organische Materialien – altern, dass nicht immer alles auf Dauer glatt und verchromt bleibt. Ich denke, dass sich das Bewusstsein in diese Richtung schon verändert.
INSIDE: Was auch heißt, dass Möbelhersteller künftig noch stärker auf Materialien zugreifen sollen, die noch nah am Rohzustand und nicht verklebt oder vermischt sind?
Dr. Sascha Peters: Am nachhaltigsten im Sinne der Wiederverwertbarkeit wäre es, wenn Hersteller Produkte aus nur einem Material, ganz unvermischt, herstellen. Dabei ist Kunststoff gegenüber Holz nicht unbedingt im Nachteil, denn beim Holz kommen fast immer auch Kleber und Metall zum Einsatz. Und man darf eines nicht vergessen: Der Kunststoff ist in der Welt und verschwindet nicht. Auch nicht nach 500 Jahren, er wird nur zu Mikroplastik. Eine Rückführung in den Kreislauf ist unter diesem Aspekt sinnvoll.
(…)
Das gesamte Gespräch wurde veröffentlicht in INSIDE Neue Ideen am 19.1.2021:
www.inside-wohnen.de
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