Holz am Limit
Ronny Waburek im Gespräch mit Dr. Sascha Peters
INSIDE Wohnen Spezial, Oktober 2016
INSIDE Wohnen Verlag
Im Geschäft mit Materialien für den Möbelbau sind derzeit Innovationen gefragt. Ungewöhnliches wie das BalanceBoard von Pfleiderer, eingesetzt bei Ballerina und Rotpunkt Küchen, oder das neue Kiri Wood bei Hülsta zeigen, wohin die Reise gehen könnte. Materialexperte Dr. Sascha Peters, unter anderem Organisator der Sonderfläche „Smart Office Materials“ auf der kommenden Orgatec, über aktuelle Trends, Nachhaltigkeit und Stühle, die sich selbst aufbauen.
Waburek: Nachhaltigkeit, ihr Spezialgebiet, ist ein gern genutztes Schlagwort. Lässt sich das überhaupt noch mit Inhalt füllen?
Dr. Sascha Peters: Ich denke, dass wir in 20 Jahren gar nicht mehr über Nachhaltigkeit sprechen, sondern dass das die Grundvoraussetzung für unser gesamtes Handeln ist. Dann geht es nicht mehr um Materialien, die aus irgendetwas hergestellt werden und dann irgendwann im Abfall landen. Vieles bewegt sich dann vielmehr in geschlossenen Materialkreisläufen. Bei der Produktion von Möbeln spielt Holz derzeit noch eine wichtige Rolle. Das wird aber nachlassen, weil wir beim Holz an ein Limit kommen, da werden Ersatzstoffe benötigt. Die gibt es auch zum Teil schon: Man findet sie in den Reststoffen der Lebensmittelproduktion. Zum Beispiel lassen sich aus Weizenstroh, Mandelschalen, Reishülsen oder auch aus Algen brauchbare Werkstoffe herstellen.
Waburek: Wird die Industrie zu diesen Materialien greifen, weil sie billiger sind?
Zum einen wird der Kunde nach nachhaltigeren Produkten fragen, das ist der eine Treiber. Der andere ist die Tatsache, dass das Holz irgendwann so wertvoll wird, dass sich solche Produkte dann lohnen.
Waburek: Also steigt der Holzpreis in naher Zukunft?
Nach meinem Kenntnisstand kommen wir da in den nächsten Jahren an ein Limit. Klar, wir leben in einem holzreichen Land. Aber wir können nicht mehr produzieren als das, was wir haben. Und weltweit geht der Waldbestand zurück und wird nicht im gleichen Maße wieder aufgeforstet.
Waburek: Demzufolge hat der Leichtbau seine beste Zeit noch vor sich.
Leichtbau hat eine Zukunft, natürlich. Denn Leichtbau bedeutet, weniger Material einzusetzen. Das heißt: Wenn ich eine clevere Lösung habe, konstruktiv und was das Material angeht, dann wird das auf jeden Fall in Zukunft ein Rolle spielen. Wir werden mobiler, wir ziehen häufiger um, und da sollten die Möbelstücke auch leichter sein. Schon aus logistischen Gründen.
Waburek: Aber von Leichtbau ist doch gefühlt schon eine halbe Ewigkeit die Rede, und trotzdem macht das bisher keiner, außer Ikea, im großen Stil.
Also ich sehe das total anders. Nun kann man sagen, dass der Kunde Massives als hochwertiger wahrnimmt. Ich glaube, da ist auch was Wahres dran. In Zukunft wird das aber anders bewertet werden. Denn dann setzt sich das Bewusstsein durch, dass die Ressourcen endlich sind und dass überall Energie drinsteckt und dass etwas Schweres per se mehr Ressourcen bindet als etwas Leichtes. Außerdem: Bei Ikea nimmt der Kunde das ja schon an.
Waburek: Sie gehen davon aus, dass Endkunden, Handel und Industrie dem Thema Leichtbau grundsätzlich offen gegenüberstehen?
Am Ende geht immer alles über den Preis. Leichtbau hat es da einfacher als sogenannte, oft teure Smart Materials, also Materialien, die Funktionen übernehmen können und selbsttätig auf Umgebungseinflüsse reagieren. Darüber wird schon seit zehn Jahren diskutiert, aber richtig angekommen ist das im Markt noch nicht.
Waburek: Woran liegt das?
Das sind High-Tech-Materialien, die eine Funktionalität bieten, die vielleicht in den eigenen vier Wänden und in Möbeln überhaupt keine so große Rolle spielen. Und wenn ich mal so an die Digitalisierung des Wohnraums denke, also ans Smart-Home, da muss ich sagen: Ich kenne keinen, der diese Produkte zu Hause verwendet, außer vielleicht, um zum Beispiel eine Lampe im Urlaub aus der Ferne übers Internet an- und auszuschalten.
Waburek: Welche Smart Materials könnten denn in der Möbelbranche überhaupt Verwendung finden?
Es gibt zum Beispiel eine Entwicklung von einem Brüsseler Designer, der einen Stuhl aus Formgedächtnis-Schaumstoff entwickelt hat. Der lässt sich zusammenfalten, platzsparend verpacken. Auf Knopfdruck wird der Stuhl durch Erwärmung wieder in seine ursprüngliche Form gebracht und baut sich selbst auf. Der Clou: Dieser Schaumstoff ist so stabil, dass man darauf sitzen kann. Das kann man sich bei Möbeln zwar vorstellen, aber ehrlich gesagt, ist das ein wenig zu futuristisch für den Möbelmarkt. Auch andere Anwendungen, Farbveränderungen etwa, sind oftmals noch Spielereien.
Waburek: Wie überzeugt sind Sie vom Einsatz von natürlichen Reststoffen aus anderen Industrien?
Ja bin ich, weil es genau in die richtige Richtung geht. Landwirtschaftliche Reststoffe zu nutzen, ich könnte auch andere Abfälle von Einjahrespflanzen nehmen. Da geht die Reise hin, weil das Sinn macht, und weil man damit eine Optik und Haptik erzeugen kann, die nicht so gewöhnlich ist.
Bilder: Self Assemby Chair aus einem Formgedächtnisschaumstoff (Quelle: Noumenon, Brussels)
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