Facetten der Nachhaltigkeit

Dr. Sascha Peters gibt Interview für das "küche & bad"-Forum

„küche & bad“-Forum 2014
Verlag Matthias Ritthammer

70 % aller Innovationen basieren auf neuen Materialien. Ausgehend von dieser Erkenntnis, hat sich Dr. Sascha Peters der Suche nach revolutionären Materialien im Dienste der Nachhaltigkeit verschrieben. Als Mittler zwischen Innovation und Anwendung hat er sich längst als Experte für die Automobilbranche, die Baustoffindustrie und als Ideengeber für Interior Designer profiliert.

Auszug aus dem Gespräch

In einem Interview mit dem küche & bad forum spricht er über Maisspindel-Platten, geruchseliminierende Oberflächen, bakteriologische Lichtspender und den unaufhaltsamen Siegeszug der Leichtbau-Technologie.

Ritthammer: Herr Dr. Peters, mit welchen innovativen Materialien wird man in Zukunft möglicherweise Küchenmöbel bauen?

Sascha Peters: Auch wenn man, wie ich glaube, für Küchenmöbel in Zukunft keine völlig anderen Materialien verwenden wird als für Wohnmöbel, gibt es einige interessante Entwicklungen, die gerade für die Küche Relevanz haben könnten. So ist es möglich, dass man Reste, die in der Küche anfallen, wieder für die Herstellung von Küchen verwendet.

Ritthammer: Wie soll man sich das vorstellen?

Als eine Art Recyclingkreislauf. In eine solche Richtung gehen etwa die Forschungsarbeiten des Kompetenzzentrum Holz in Linz, das in Zusammenarbeit mit der Firma Chemholz in St. Pölten eine neuartige Platte aus Maisspindeln entwickelt hat, die ja bislang als Abfall keine stoffliche Verwertung erfahren haben. Bei dieser sogenannten „Maico“-Platte besteht die Kernschicht aus gleich langen Abschnitten von Maisspindeln, die stehend angeordnet sind. Übrigens kann auch die Entwicklung der Smart-Materials für die Küche interessant werden. Oberflächen zum Beispiel, die eine kommunikative Aufgabe übernehmen oder dafür sorgen, Gerüche zu beseitigen und damit luftreinigend zu wirken. Hier gibt es bereits erste Ansätze aus dem Bereich der Nanotechnologie. So können Nano-Titan-Dioxid-Beschichtungen bewirken, dass organische Stoffe aus der Luft beseitigt werden.

Klingt nach Zukunftsmusik?

Es ist mehr als das. Denn da gibt es bereits ein konkretes Produkt am Markt: „TitanProtect“ der Firma Nadico Technologie aus Langenfeld. Das ist ein Spray, damit könnte man Oberflächen in der Küche einsprühen und eine luftreinigende, antibakterielle Wirkung entfachen. Interessant waren solche Innovationen bislang in Krankenhäusern, vor allem in Japan, wo eine solche Beschichtung schon Vorschrift ist.

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird heute leider inflationär verwendet. Nach welchen Kriterien lässt sich sagen, dass ein Material tatsächlich nachhaltig ist?

Materialien können an sich nicht nachhaltig sein, sondern immer nur die Anwendungen, in denen sie erscheinen. Ein wichtiges Kriterium ist beispielsweise die Recyclingfähigkeit bzw. der Anteil von recycelten Materialien aus denen es besteht. In diesem Zusammenhang streben eine ganze Reihe von Herstellern an, ihre Produkte etwa auf Basis von Reststoffen herzustellen oder Erdöl zu vermeiden , das langfristig ja nur noch begrenzt zur Verfügung stehen wird. So sind biobasierte Materialien und die Verwendung nachwachsender Ressourcen in vielen Anwendungen positiv zu bewerten. Bei nachwachsenden Rohstoffen muss allerdings immer beachtet werden, dass sich der Anbau nicht negativ auf die Preisentwicklung bei Lebensmitteln auswirken kann.

Positiv ist es in jedem Fall, wenn man weniger Material verwendet und den gleichen Effekt erzielt. Leichtbaustrukturen sind da ein Thema, stabilitätsfördernde Konstruktionen, mit denen ich einen geringeren Materialeinsatz habe. Und was ich auch wichtig finde: Smart-Materials, also Materialien, in denen Funktionen integriert sind. Denn infolge der Integration dieser Funktionen, muss ich weniger Produkte für ein und die gleiche Aufgabe verwenden. Das ist auch eine Facette der Nachhaltigkeit.

Wie sieht ein solcher Doppelnutzen der Smart-Materials konkret aus?

Na, wenn ich die Oberfläche einer Küche zum Beispiel mit einer Nano-Titan-Dioxid-Beschichtung versehe und die mir die Luft von Gerüchen befreit, dann brauche ich da nicht extra noch eine riesige Dunstabzugshaube. Zumindest ist für die Geruchsbeseitigung nicht so viel Energie notwendig. Auch die Möglichkeit, Energie selbst zu erzeugen, sollte man nicht außer Acht lassen. Das ist jetzt ganz weit nach vorne gedacht, aber dennoch ein Riesenthema, spätestens seitdem unsere Bundesregierung beschlossen hat, aus der Atomenergie auszusteigen. So gibt es Materialien, die in kleinem Maßstab Energie erzeugen, sobald ich da darauf drücke oder trete. Oder, um eine anderes Beispiel zu nennen: Philips initiierte vor rund zwei Jahren das Projekt „Microbial Home“. Im Rahmen des Projekts wurde ein Leuchtkörper erschaffen, der durch Biolumineszenz ein sanftes, grünes Licht ausstrahlt. Dabei wurden im Prinzip Küchenreste verwendet, um durch den Stoffwechsel von Bakterien Licht zu erzeugen.

Viele Materialien, die Sie in Ihren Büchern und Vorträgen vorstellen, wirken exotisch und scheinen nur für einen kleinen Kundenkreis bestimmt. Wie wahrscheinlich ist es, dass einige der Materialinnovationen in der Tat einmal in großem Maßstab industriell gefertigt werden?

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Vor rund zwei Jahren haben wir im Herbst ein Leder vorgestellt, das nicht mit den typischen Chemikalien gegerbt wird, sondern mit Reststoffen der Olivenöl-Produktion, also den Blättern des Olivenbaums. Diese Blätter enthalten genau den biobasierten Gerbstoff, der die Tierhaut konserviert und dem Leder seine typischen Eigenschaften gibt. Damals klang das noch exotisch. Heute sieht das anders aus. Denn in der Ausstattung des aktuellen „BMW i3“ mit eDrive verwenden die Entwickler für die Sitzpolsterung eben dieses Olivenleder. Ein typisches Beispiel, das zeigt: Was zunächst exotisch wirkt, kann von heute auf morgen in großen Stückzahlen verkauft werden. Von daher wäre ich ganz vorsichtig, Dinge auszuklammern, nur weil sie seltsam klingen. Alles hängt immer von den Kontexten und den Personen ab. Und von der Frage, wie notwendig es ist, andere Entwicklungen zu verwenden.

Was halten Sie für die wichtigsten Trends bei nachhaltigen Materialien?

Ich glaube, dass wir beim Thema Recycling noch nicht am Ende angekommen sind. Wir beginnen erst zu verstehen, was es eigentlich bedeutet, die Produkte recycling- bzw. kreislauffähig zu gestalten. Dann halte ich die biobasierten Werkstoffe für ganz wichtig, ein Markt, der sich immens vergrößern wird. Man muss sich nur vor Augen führen, dass wir in 20 bis 30 Jahren kein Erdöl mehr zur Verfügung haben werden. Dann sind Alternativen natürlich gefragt. Und auch Leichtbau zählt zu den großen Zukunftsthemen, wobei Leichtbau eigentlich jetzt schon stattfindet. Das ist nichts, worauf man noch warten muss. Da liegen die Vorteile klar auf der Hand: So wird durch den Leichtbau weniger Material benötigt, um die gleiche Stabilität zu erzeugen, und weniger Energie, um es zu transportieren. Bei den Smart-Materials bin ich ein wenig vorsichtiger. Denn obgleich die Prinzipien und Mechanismen der Smart-Materials schon länger bekannt sind, ist die Anzahl und Vielfalt der Anwendungen bislang doch überschaubar. Es sind wohl eher die drei erstgenannten Bereiche, die in Zukunft relevant sein werden.

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Bild: Bio Light (Quelle: Phillips, Eindhoven)