Algen könnten eine Ressource der Zukunft sein

Richard Barth im Gespräch mit Dr. Sascha Peters

Magazin material+technik 10/2016
m+t Ritthammer Publishing

Für Dr. Sascha Peters, den Zukunftsforscher für Materialien und Technologie ist eines klar: Neue und vor allem smarte Werkstoffe tragen erheblich zum technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt bei. Mit seiner Zukunftsagentur „Haute Innovation“ beobachtet und analysiert er weltweit die Entwicklungen auf dem Gebiet neuer Materialien, leitet für seine Kunden Anwendungsszenarien für die Märkte der Zukunft ab und nimmt damit eine Mittlerrolle zwischen technologischer Innovation und marktfähigen Produktanwendungen ein.

Auszug aus dem Gespräch

Peters ist davon überzeugt, dass auch die Zukunft der Einrichtungsindustrie in Materialkreisläufen sowie ressourcenschonenden Konstruktionen liegen muss, da der bisherige Werkstoff Holz in der Zukunft nur begrenzt zur Verfügung steht.

Barth: Herr Dr. Peters, woher stammen Ihre langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Material- und Technologieforschung?

Sascha Peters: Ich habe an der RWTH Aachen Maschinenbau mit SchwerpunktKonstruktionstechnologie und Produktdesign an der ABK Maastricht studiert. Nach meiner Promotion leitete ich von 1997 bis 2003 Produktentwicklungen am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen und war von 2003 bis 2008 stellvertretender Leiter des Design Zentrum Bremen.

Barth: Welche Branchen beraten Sie und wie helfen Sie den Unternehmen sich besser auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen?

Sascha Peters: Meine Kunden stammen aus der Automobilindustrie, der Baubranche, der Werkstoffindustrie und natürlich auch aus der Einrichtungsindustrie. Zusammen mit meiner Mitarbeiterin Diana Drewes, einer Tischlerin und Produktdesignerin, spüren wir wichtige Materialtrends für unsere Kunden auf und entwickeln Anwendungskonzepte auf Basis dieser innovativen Werkstoffe. Unsere langjährige Expertise erstreckt sich zudem auf die Umsetzung von Kommunikationslösungen und die Realisierung von Innovationsshows. Im Grunde werden wir beauftragt, wenn es darum geht, aus anderen Branchen Ideen und Inspirationen zu liefern. Die Bewertung unserer Denkanstösse überlassen wir allerdings den F&E-Abteilungen der Unternehmen.

Wir blicken auch jenseits der Branche

Barth: Dieser Fahrradhelm ist kein Produkt aus der Einrichtungsbranche und dennoch wollen Sie ihn der Einrichtungsbranche vorstellen. Warum?

Dieser Helm basiert auf natürlichen Werkstoffen, die bislang nicht für Schutzhelme verwendet wurden, jedoch wesentliche Vorteile mit sich bringen. Die französische Firma Egide verwendet Flachsfasern, da diese in Leichtbaulösungen besser Stöße aufnehmen und dämpfend wirken als zum Beispiel Karbon. Ich könnte mir allerdings auch Einsatzmöglichkeiten im Einrichtungsbereich vorstellen. Der Wert meiner Arbeit liegt darin, die Augen offen zu halten und den Blick auch auf Werkstoffe jenseits der Einrichtungsbranche zu richten. Denn diese Fähigkeit besitzen Branchenunternehmen in diesem Umfang nicht.

Barth: Der Helm kombiniert vorteilhaft Funktion mit Design. Können Sie uns noch weitere Beispiele für solche smarten Lösungen zeigen?

Smart ist auch diese Entwicklung aus Schweden: Eine LED-Glühbirne, die leuchtend über ihrem Sockel schwebt. Hier werden die Abstoßwirkung von zwei Magneten und eine Energieversorgung mit Hilfe von Induktions-Technik geschickt kombiniert. Ein weiteres Beispiel ist der Glastisch „Current Table“, dessen Tischplatte auf der Unterseite mit einer OPV-Folie (Organic Photovoltaik Folie) beschichtet ist, die natürliches und künstliches Licht in Strom umwandelt und das Aufladen eines Handys beispielsweise ermöglicht.

Barth: In den vergangenen Jahren haben Sie auf der interzum in Köln zweimal die Einrichtungsbranche über smarte Werkstoffe und intelligente Produktionsprozesse informiert. Welches Thema werdenSie auf der Piazza „Interiors of Innovation“ 2017 präsentieren?

Im Jahr 2013 standen „Smart Materials“ im Fokus, 2015 war es der 3D-Druck. Auf der kommenden interzum werden wir uns in Halle 4 mit dem spannenden Thema „Upcyling“ befassen. Wir arbeiten allerdings noch an der Umsetzung. Möglicherweise werden wir auf der Fläche die Ausgangsstoffe, wie z.B. alte Reifen, die daraus entstandenen Zwischenprodukte und dann das, was man daraus machen könnte, zeigen. Auf jeden Fall wollen wir Dinge vorstellen, die man in der Einrichtungsbranche noch nicht kennt. Das Ganze wird wie 2015 von einer Konferenz begleitet.

Barth: Im i-BMW sind einige Produkte verbaut, die dem Upcycling-Gedanken entsprechen, den Sie seit Jahren verfechten. Ist deren Verwendung auf Ihre Aktivitäten auf diesem Gebiet zurückzuführen?

Darum geht es bei meiner Arbeit im Grunde gar nicht. Ich will Unternehmen die Augen für neue Entwicklungen im Werkstoffbereich öffnen und ihnen damit den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen. Schließlich stehen wir kurz vor dem Ende des petrochemischen Zeitalters und vor einem einschneidenden Umbruch unserer Material- und Produktkultur. Schon heute basieren rund 70 Prozent aller Innovationen auf neuen Materialien!

Barth: Können Sie unseren Lesern Beispiele nennen, bei denen nachweislich die Unternehmen neue Materialien verwendet haben, die Sie erstmals vorgestellt hatten?

Das lässt sich natürlich nie genau nachweisen, denn die Entwickler und Designer schauen sich ja ebenfalls weltweit um. Auf der letzten Orgatec hatten wir allerdings ein Leder vorgestellt, das mit Extrakten aus Olivenblättern gegerbt wurde, die bei der Ernte sonst als Sondermüll anfallen würden. Das Leder ist damit völlig chromfrei und umweltfreundlich hergestellt und wird heute im i-BMW eingesetzt.

Barth: Spielen nur die Produkte oder auch neuartige Produktionsprozesse bei Ihrer Tätigkeit eine Rolle?

Wie aus meinem Werdegang hervorgeht, habe ich mich in den vergangenen 20 Jahren auch stark mit den Prozessen befasst und diese ebenfalls vorgestellt. Als Beispiel möchte ich Ihnen diesen innovativen Metallstuhl des Designers Oskar Zieta vorstellen, der flach geliefert wird und mit einer gewöhnlichen Fahrradluftpumpe in Form gebracht wird. Denkbar wäre das Verfahren auch für Leitplanken, da das Material dann auf Rolle geliefert und vor Ort aufgepumpt würde. Ein weiteres Beispiel für innovative Herstellungsprozesse ist dieser Hocker hier. Den haben wir während der letzten interzum von einem 3D-Drucker produzieren lassen.

Das gesamte Interview ist abgedruckt in der Ausgabe 5/2016 des Magazins „material+technik“.

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Bild: Fahrradhelm aus einem Leinen-Komposit (Egide Apollo, Paris)