Wasser in Aspik

Biologisch kreislauffähige Alternative zu Plastikflaschen

Design Report
3-2016


Verlag

Rat für Formgebung Medien (Frankfurt)

Allein die USA verbrauchen etwa 50 Milliarden Plastikflaschen jährlich. Dies entspricht einem Rohstoffbedarf von rund 17 Millionen Fässern Rohöl. Designer wie der Isländer Ari Jónsson beschäftigen sich mit Alternativen.

Pflanzliches Geliermittel

Im Frühjahr 2016 machte der Designer Ari Jónsson mit einer zu 100 Prozent biologisch kreislauffähigen Alternative zur gängigen Plastikflaschen auf sich aufmerksam. Unter Verwendung von Agar-Agar kreierte der Isländer ein formstabiles Material, das er zunächst gießen und dann durch einen Temperaturausfall fixieren kann. Die fertigen Gefäße können zum Wassertransport benutzt und im Anschluss sogar verzehrt werden. Das Besondere liegt jedoch im Materialverhalten nach dem Gebrauch: Ist die Flasche ausgetrunken, beginnt sie auszutrocknen und anschließend zu verrotten.

Seine Motivation erklärt Jónsson mit der akuten Vermüllung unserer Umwelt, zu Land wie im Wasser. Der weltweite Kunststoffverbrauch steigt, gleichzeitig fehlt in vielen Ländern eine entsprechende Müllentsorgungspolitik. Verschiedene Designer und Entwickler suchen nach Lösungsansätzen, um dem wachsenden Plastikbergen Herr zu werden: Viel Aufsehen etwa erregte der Niederländer Boyan Salt, der 2013 sein Ingenieurstudium abbrach, um mit dem Projekt „Ocean Cleanup“ die Meere vom Plastikmüll zu befreien. Schlauchbarrieren nutzen die Meeresströmungen und fischen den Abfall aus dem Wasser. Das Konzept fand weltweite Unterstützung. Die ersten Testbarrieren und Pilotsysteme können in diesem Jahr zu Wasser gelassen werden.

Aber auch an Land versuchen Wissenschaftler den auf natürlichem Wege nicht abbaubaren Plastikresten entgegenzutreten: zum Beispiel mit Kunststoff fressenden Bakterien und Pilzen. Ari Jónsson sieht die Lösung bereits im Material. Agar-Agar wird aus getrockneten Algen gewonnen und erfreut sich im europäischen Raum als rein pflanzliches Geliermittel großer Beliebtheit. In Japan ist die natürliche Substanz bereits seit über 350 Jahren bekannt und findet Verwendung in der Lebensmittel- sowie Kosmetikindustrie.

Zur Herstellung seiner Flaschen mixt Jónsson zunächst Wasser mit Agar-Agar und bringt das Gemisch zum Kochen. Der Geliervorgang startet. Sobald sich die Viskosität einem Wackelpudding annähert, gießt er das zähflüssige Material in eine vorgekühlte Form, wo es erstarrt. Nach dem Abkühlen ist ein transparent-glänzender Film auf der Oberfläche zu erkennen. In der Physik wird dieses Phänomen als Synärese beschrieben: Wasser löst sich oberflächlich aus der gelierten Struktur, ohne diese direkt zu schwächen. Wiederum mit Wasser befüllt, bleibt der Film im Inneren der Flasche erhalten und sorgt somit für die gewünschte Stabilität. Die Außenseite trocknet hingegen nach einer bestimmten Zeit aus und macht das Material brüchig. In Kombination mit einer schützenden Außenstruktur ist Jónssons Ansatz eine gesundheitlich unbedenkliche Alternative zum gängigen Plastik. Giftstoffe wie Weichmacher entfallen. Und der Produktion lebenswichtiger Agrarprodukte macht der Anbau von Algen auch keiner Konkurrenz.

Bild: Agar-Agar als Kunststoffersatz (Design: Ari Jónsson)