Reinbeißen statt Wegschmeißen
Essbare Verpackungen kommen in den Markt
Design Report
3-2013
Verlag
Konradin Medien (Stuttgart)

1997 haben Wissenschaftler erstmals auf das Problem kleiner Kunststoffpartikel in den Wirbeln großer Meeresdriftströmungen hingewiesen. Der „Great Pacific Garbage Patch“, eine Ansammlung von geschätzten 3 Millionen Tonnen Kunststoffmüll auf einer Fläche Mitteleuropas im Nordpazifik, erlangte in den letzten Jahren eine zweifelhafte Berühmtheit. Denn die polymeren Kleinstpartikel werden von Lebewesen aufgenommen und gelangen so in die menschliche Nahrungskette. Bei einigen Seevögeln, Schildkröten und Fischen wurde der Verzehr unverdaulicher Kunststoffe bereits als Haupttodesursache nachgewiesen. Da die Kunststoffpartikel in Tiefen zwischen 10 und 30 Meter im Meer schweben und über große Flächen verteilt sind, scheint die Reinigung des Meerwassers fast nicht möglich. Einige Regierungen haben als Konsequenz auf das zunehmende Müllproblem Kunststofftüten auf Basis petrochemischer Polymere bereits verboten.
Antworten finden
Eine große Menge des Kunststoffmülls gelangt über die Strände ins Meer. Daher wurde unter dem Titel „Ocean Plastic“ eine Initiative ins Leben gerufen, mit der die Kunststoffabfälle am Strand eingesammelt werden, um sie für die Herstellung von Produkten zu verwenden. So hat das kalifornische Unternehmen Method mit einem Seifenspender ein erstes Produkt auf den Markt gebracht, das mit Restkunststoffen aus dem Meer produziert wurde.
Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte aber auch die Umstellung auf biologisch abbaubare oder gar essbare Verpackungen sein. So machte der Berliner Designer Julian Lechner etwa mit einer Kaffeetasse auf sich aufmerksam, die er aus Kaffeesatz und karamellisiertem Zucker als Bindemittel herstellt. Die Tasse ermöglicht den Kaffeegenuss von etwa 20 Tassenfüllungen, denn das Karamell zersetzt sich langsam in der Flüssigkeit. Positiver Nebeneffekt: Die Kaffeepartikel und das natürliche Bindemittel geben dem Kaffee ein zusätzliches Aroma.
Und auch der Kaffeespezialist Lavazza testet ein ähnliches Produkt: Für das Lavazza-Kreativlabor entwickelte der Designer Enrique Luis Sarde zusammen mit dem Patissier Cataldo Parisi die Cookie Cup, eine Espressotasse aus Mürbeteig mit einer isolierenden Zuckerglasur. Der Genuss des Warmgetränks wird um das Geschmackserlebnis beim Verzehr des Gebäcks ergänzt.
Virginia Binsch von der Kunsthochschule Berlin Weißensee wendet das gleiche Prinzip auf die Verpackung von Käse an. „Blütezeit“ nennt die Produktdesignstudentin ihr Projekt, eine Umhüllung aus sich auffächernden Gebäckelementen. Diese verpackenden Cracker sollen gemeinsam mit dem Käse verkostet werden und geschmacklich in Korrespondenz zu dem Lebensmittel stehen. Dazu hat die Designerin verschiedene Geschmacksvarianten entwickelt.
In großem Maßstab produzierbar
Dass sich Lebensmittel als Umhüllung auch in großem Maßstab umsetzen lassen, zeigt die Füllet GmbH aus Dresden mit einem aus natürlichen Zutaten gebackenen Behältnis zur Lagerung von Fingerfood, Tapas oder Aufläufen. Mit einem patentierten Verfahren wird es aus Getreidemehl, Rapsöl, Wasser und Salz hergestellt und lässt sogar den Verzehr von Suppen und Saucen zu. Die so genannten Füllets können im Kühlschrank gelagert werden und haben einen brotähnlichen Geschmack.
Eine hochinteressante Entwicklung mit Potenzial für die industrielle Produktion kommt von der Eliteuniversität Harvard. Hier hat der Bioingenieur David Edwards mit seinem Team eine wasserundurchlässige Hülle für Lebensmittel entwickelt. Als Vorbild für die vollständig biologisch abbaubare Verpackung, die das Arbeitsteam WikiCell getauft hat, diente den Forschern das Prinzip der Fruchtschale, die in der Lage ist, das empfindliche Innere vor äußeren Einflüssen zu schützen. Während die Wikicell-Haut aus Zuckerrohrabfällen (Bagasse) erzeugt wird, besteht die eigentliche Verpackungshülle aus dem Biopolymer Chitosan, aus Alginaten, Algenextrakten und natürlichen Partikeln von Nüssen, Samen und Schokolade. In der Haut können flüssige oder gelartige Lebensmittel wie Eis, Saucen, Käse oder Getränke transportiert werden. Für den Verzehr wird die Hülle mit einem Strohhalm angestochen. Der Entwickler hat angekündigt, dass es verschiedene WikiCell Kreationen wie z.B. Wiki Ice Cream, Wiki Cheese, Wiki Yogurt oder Wiki Cocktails ab Herbst im webshop von LabStore Paris zu kaufen gibt.
Auch das Design Studio „The Way we see the world“, das sich aus vier Absolventinnen der New Yorker Parsons School of Design zusammensetzt, griff bei der Entwicklung der Becher „Loliware“ auf Zuckerrohr zurück. Die Becher sind in fünf verschiedenen Geschmacksaromen erhältlich und enthalten als weiteren Hauptbestandteil natürliches Frucht-Pektin – eine umweltfreundliche Alternative zum Einweggeschirr insbesondere bei Großveranstaltungen, denn nach dem Konsum eines Getränks kann die Verpackung als Süßigkeit verzehrt werden.
Becherförmige Formteile spielen eine große Rolle im Verpackungsbereich, aber auch Folien und Filme. Mit dem Verpackungsfilm Visos beweist das US-Unternehmen MonoSol, dass sich auch hier verzehrbare Lösungen vermarkten lassen. Visos ist für die portionsweise Verpackung von Tee, Kaffee oder Fruchtgetränken geeignet. Der transparente Film schützt vor dem Eindringen von Sauerstoff oder Wasserdampf und löst sich sowohl in kaltem als auch heißem Wasser auf. Er hat keine Auswirkung auf den Geschmack der Lebensmittel und kann bedenkenlos mit konsumiert werden.
Die Entwicklung essbarer Verpackungen scheint ein Weg zur Reduzierung des Müllproblems zu sein, der in unseren Haushalten anfällt. Vor allem ist es eine Möglichkeit, bei der sich Designer aktiv an der Entwicklung einer nachhaltigen Produktkultur beteiligen können.
www.methodhome.com
www.ex-presso.net
www.sardi-innovation.com
www.fuellett.de
www.loliware.com
www.monosol.com
Bild: Biologisch abbaubare Folien (Quelle: Monosol)
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