Metamaterialien
Gegenstände werden unsichtbar oder sind im Trocknen flüssig
Design Report
2/2013
Verlag
Konradin Medien (Stuttgart)

Sie machen Gegenstände unsichtbar, sind im Trocknen flüssig und gleichzeitig in Flüssigkeiten fest. Sie leiten Erdbebenerschütterungen um einsturzgefährdete Gebäude herum und können nahezu jede beliebige mechanische Qualität aufweisen. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler rund um den Globus die Entwicklung einer neuen Werkstoffklasse in Angriff genommen, die unser Verständnis von Materie nachhaltig verändern wird. Die Rede ist von Metamaterialien – Werkstoffen mit derart ungewöhnlichen Eigenschaften, dass sie in der Natur in dieser Form nicht vorkommen. Am wohl bekanntesten sind Materialversuche, die durch Lichtbrechung Oberflächen unsichtbar erscheinen lassen.
Zahlreiche Forschungsprojekte arbeiten an sogenannten Tarnkappen. Dabei nutzen sie zumeist künstliche Materialien, die einen negativen Brechungsindex aufweisen und Wellen um ein Objekt herumleiten. Dazu werden in der Oberfläche Strukturen erzeugt, die kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. So haben es US-Forscher aus Texas letztes Jahr geschafft, unter Verwendung eines plasmonischen Metamaterials ein dreidimensionales Objekt, ein 18 Zentimeter langes Zylinderrohr, verschwinden zu lassen: Die Lichtstrahlen wurden genau entgegengesetzt zur Objektoberfläche gestreut. Die Wellen überlagerten sich und löschten sich aus. Allerdings funktioniert diese Tarnkappe bisher nur im Mikrowellenbereich. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) konnte eine erste 3D-Tarnkappe für sichtbares Licht im Bereich von 700 Nanometern realisiert werden.
Auch für ganze Gebäude könnte es Tarnkappen geben – allerdings nicht, um sie dem menschlichen Auge zu entziehen, sondern um seismische Oberflächenwellen abzulenken, Bauten also vor Erdbeben zu schützen. Das Institut Fresnel in Marseille entwickelt eine Tarnkappe dieser Art. Die Forscher sehen mindestens zehn im Boden verankerte Ringe vor, zusammen ergeben sie ein Metamaterial. Trifft eine Oberflächenwelle auf den ersten Ring, tritt dieser in Interaktion mit der Welle. Der Ring verbiegt sich und führt eine Gegenbewegung aus, die die Welle umleitet. Die einzelnen Ringe sind auf unterschiedliche Frequenzen der Oberflächenwelle ausgelegt, so dass sich die Wellen in einem weiten Bereich beeinflussen lassen.
Ganz ähnlich arbeitet auch ein akustisch wirksames Metamaterial der University of Illinois. Ein metallischer Ring von 10 Zentimetern Durchmesser und mit 16 konzentrischen Kreisstrukturen ermöglicht, dass Wellen im Ultraschallbereich zwischen 40 und 80 Kilohertz (z.B. Sonarwellen) nicht wahrgenommen werden. Die Geometrie der Ringe verändert die Geschwindigkeit der Schallwellen. Sie breiten sich in der Hohlkammerstruktur aus, werden abgebremst und verschluckt. Das Prinzip lässt sich auch auf größere Objektdimensionen anwenden. Konzerthallen oder Fahrzeuge, von denen keine Geräuschbelastung mehr ausgeht, rücken so in den Bereich des Möglichen. Die Forscher denken zudem auch an militärische Einsatzzwecke. So könnte die Ringstruktur in U-Booten bei starkem Wellengang vorteilhaft angewendet werden. Auch Ölplattformen ließen sich vor Naturgewalten schützen.
Andere Projekte konzentrieren sich auf die Erforschung von optischen Linsen, die keine Auflösungsgrenzen aufweisen, Superlinsen genannt. Die Aussicht: Unter Ausnutzung von Nanostrukturen könnte das Reflektionsverhalten der Oberfläche soweit verändert werden, dass sich durch Linsen dieser Art Objekte mit weitaus höherer Auflösung untersuchen ließen. Superlinsen hätten dann auch keine gekrümmte sondern eine flache Geometrie. An der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeiten Wissenschaftler an einer Superlinse aus DNA-Molekülen. Diese ordnen sich selbsttätig entlang einer Spirale an und werden zur Beeinflussung von Lichtstrahlen mit Nanogoldpartikeln verbunden. Mit diesem Metafluid konnte grünes Licht unabhängig von der Richtung der Strahlung vollständig gefiltert werden.
Mit der Herstellung einer standfesten kristallinen Metaflüssigkeit, einem Pentamode-Metamaterial, gelang es Wissenschaftlern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) jüngst, eine neue Klasse unter den Metamaterialien zu entwickeln. Sie werden durch Nanostrukturierung erzeugt und können alle denkbaren mechanischen Eigenschaften einnehmen, also druckfest aber auch flexibel sein. Der Idealzustand eines Pentamode-Metamaterials entspricht den Kenngrößen von Wasser. Dieses lässt sich in einem Zylinder kaum zusammenpressen, aber mit einem Gegenstand verrühren. Das mechanische Verhalten der Metaflüssigkeit wird darüber bestimmt, wie spitz und lang die einzelne hutförmigen Elemente in der diamantartigen Molekularstruktur ausgebildet sind. Das Gewicht des Materials nimmt nur rund 1 % des Körpervolumens ein.
Eine ähnlich revolutionäre Materialerfindung gelang US-Forschern der Cornell University Ithaca. Wie die Wissenschaftler Ende letzten Jahres in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology berichteten, erzeugten sie unter Verwendung organischer Substanzen ein Material, dass im Trockenen flüssig ist und in einer Flüssigkeit eine feste Konsistenz aufweist. Aufgebaut wurde das Material aus Desoxyribonukleinsäuren-DNA in der dreidimensionalen Netzwerkstruktur eines Hydrogels mit stark Wasser speichernden Eigenschaften Als Anwendungsbeispiel verweisen die Forscher auf elektrische Schalter, die auf Wasser reagieren können.
www.int.uni-stuttgart.de
www.kit.edu
www.utexas.edu
www.fresnel.fr
www.physik.lmu.de
www.illinois.edu
www.cornell.edu
Bild: Dichroismus von DNA-Linsen – Zwei Tropfen mit den optisch aktiven DNA-Gold-Molekülen absorbieren polarisiertes Licht unterschiedlich stark (Quelle: TU/LMU München)
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