Neue Ideen für organischen Abfall
Naturstoffe in Materialinnovationen
form 237
März/April 2011
Verlag
Birkhäuser (Basel)
Kuhmägen, Algen, Seegraskugeln oder Kamelhaare: Organischer Abfall liegt bei den Materialentwicklern derzeit voll im Trend. Neben industriellen Herstellern zählen auch Designer zu den Erfindern der neuen Materialkultur.
Die Designerin Mandy den Elzen aus den Niederlanden experimentiert schon seit einiger Zeit mit Naturstoffen. So kreiert sie Vasen und Behältnisse mit einer interessanten Transparenz, die sie unter Einsatz von gekochten Algenfasern erzeugt. Für ihr neuestes Projekt verwandelt sie Teile des Magens von Rindern in Leder. Rumen Leather erinnert aufgrund der sechseckigen Strukturelemente an Pelz. Die Stücke messen 400 mal 500 Millimeter bei einer Dicke von drei Millimeter und sind lichtdurchlässig.
Unter dem Namen Sensofil Eco hat der Outdoor-Spezialist Vaude eine Schlafsackfüllung auf den Markt gebracht, die wegen der enthaltenen Kamelhaare ein gutes Schlafklima aufweist. Die gekräuselten Naturfasern schließen eine große Luftmenge ein und sorgen für eine hohe Isolierung. Außerdem besteht die Füllung noch aus recyceltem Polyester und der Zellulosefaser Tencel. Diese wird aus Holz gewonnen, ist vollständig biologisch abbaubar und sorgt für einen hohen Feuchtigkeitsausgleich. Denn Tencelfasern können um bis zu 50 Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen als Baumwolle – und bleiben dennoch weich.
Zu einem der aktuell interessantesten Materialentwicklungen zählt ein Vorhaben von Richard Meier, Baustoffexperte an der SRH Hochschule Heidelberg. Er macht Neptunbälle für die Hausdämmung nutzbar. Neptunbälle sind Seegraskugeln, die man an den Stränden Tunesiens oder auf Sizilien finden kann. Sie sind auf natürliche Weise schlecht entflammbar und haben eine Wärmeleitung von lediglich 0,037 bis 0,049 Watt je Kelvin und Meter. Dies macht sie ohne Zusätze für den Einsatz im Baugewerbe interessant. Zudem verrotten die Fasern kaum, da sie nur wenige Salze und keine Eiweiße enthalten. Nachdem das Material die bauphysikalischen Prüfungen durchlaufen hat, sind Neptunbälle nun unter dem Namen „Neptutherm“ erhältlich.
Das Verpackungszentrum Graz entwickelt derzeit ein neues Webverfahren für reißfeste Netztextilien, damit natürliche Fasern mit teilweise eingeschränkten Festigkeitseigenschaften noch viel stärker als bislang in Geweben Verwendung finden können. Jeder Faden wird im Webvorgang zweimal um den anderen geschlungen und so der für die gewünschte Reißfestigkeit benötigte Materialaufwand auf ein Minimum reduziert.
Bildquelle: Richard Meier
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