Hello Smart Materials

Intelligente Werkstoffe für Designer

Design Report
5/2012


Verlag

Konradin Medien (Stuttgart)

Welcher Designer träumt nicht davon: Ein Raum, der auf die Veränderung des Raumklimas reagiert, Wände und Kacheln, die bei steigenden Temperaturen Farbe oder Struktur verändern, oder Möbel- oder Stoffoberflächen, denen nach Reiben ein angenehmer Duft entweicht: Seit einigen Jahren werden die Potenziale so genannter smarter bzw. intelligenter Materialien unter Designern getestet. Eine Vielzahl von Produktkonzepten sind bislang präsentiert worden. Doch eine breite Anwendung finden intelligente Werkstoffe bislang im Produktdesign nicht. Weiterentwicklungen aus der jüngsten Zeit lassen nun die Herzen der Kreativen höher schlagen. Aus diesem Grund zeigte das Dänische Designzentrum in Kopenhagen im Sommer unter dem Titel „Hello Materials“ eine interessante Auswahl intelligenter Materialien und platziert sich damit in strategischer Neuausrichtung als Mittler zwischen Technologieinnovation und Anwendung.

Zu den nahe liegenden Angeboten intelligenter Oberflächen zählen thermo- und hydrochromatische Farben. Unter Einfluss von Wärme bzw. Wasser verändert sich die Farbigkeit bzw. Transparenz von Oberflächen, Folien oder Stoffen. Designer und Innenarchitekten, die mit farbveränderlichen Glas- und Keramikkacheln arbeiten wollen, werden beim kalifornischen Anbieter Moving Colors fündig. Die Kacheln erscheinen bei Raumtemperatur schwarz und wechseln ihre Farbe durch das gesamte Spektrum nach Erwärmen durch warmes Wasser in der Dusche oder bei Betrieb eines Kamins oder der Heizung. Matsui Color liefert darüber hinaus Farben, die auf Feuchtigkeit reagieren und von weiß auf transparent schalten. Einsatz finden diese Farben beispielsweise bei Regenschirmen, Handtüchern oder Außenfassaden.

Den Geruchssinn bedienen neu entwickelte Farben der H.W. Sands Corporation. Sie enthalten ein feines aromatisches Puder mit eingekapselten Duftstoffen, die unter Reiben bzw. Kratzen an der Oberfläche freigesetzt werden. Die Farben sind für Papier als auch für Kunststoff geeignet und können durch Offset-, Flexo- oder Siebdruck aufgebracht werden. Sie bieten also Potenzial für das Interior Design unter Verwendung in Tapeten oder für Taschen und Textilien.

Eine ganz neue Form ästhetischer Veränderlichkeit ergibt sich durch Expancel-Mikrosphären von Akzo Nobel aus Schweden. Dies sind extrem kleine Hohlkugeln, die man als Additiv Oberflächenbeschichtungen oder Kunststoffen zusetzen kann. Bei Wärmezufuhr erhöht sich der Gasinnendruck der kugelförmigen Partikel, was zu einer erheblichen Vergrößerung des Volumens führt. Auf Basis des Effekts lassen sich veränderliche Texturen an gedruckten Schichten oder Kunststoffverpackungen erzeugen.

Der britische Produzent D30 hat sich auf die Herstellung von Schutzbekleidung unter Einsatz eines Stöße absorbierenden Gels spezialisiert. Unter normalen Bedingungen hat das Gel zähflüssige Eigenschaften, die es jedoch abrupt verliert, wenn es einer starken äußeren Kraft ausgesetzt wird. Dann wird das Material hart und absorbiert auf diese Weise Schläge und Verformungen. Das Gel ist für die Ausstattung von Sportbekleidung und Protektoren ebenso geeignet wie für Schutzhelme, militärische Applikationen und schutzsichere Westen.

Zur Erhöhung der Sicherheitsanforderungen bestimmter Anwendungen in Sport und industrieller Produktion eignen sich so genannte auxetische Materialien. Dies sind Werkstoffe, Fasern oder Schäume, die unter Druck dünner werden und unter Dehnung dicker. Sie haben eine negative Querkontraktionszahl, verhalten sich also genau umgekehrt zu den meisten Materialien. In der Natur kann man eine solches Verhalten bei Kuhzitzen beobachten. Das Unternehmen Auxetix ist seit einigen Jahren mit der Entwicklung auxetischer Materialien beschäftigt und hat das Prinzip auf Faserstränge übertragen.

Für Innenraumdesigner sind immer häufiger Materialien interessant, die die Raumluft von Geruch und schädlichen Substanzen befreien. Eine Möglichkeit, die die meisten wohl kennen ist Nanotitandioxid, was es mittlerweile auch in Farben zu kaufen gibt. Eine besondere Lösung, die der Fußbodenhersteller Parador aufgegriffen hat, ist das Eiweißkomplex Protectin. Als erster Bodenhersteller verwendet er die der Schafwolle nachempfundene Proteinsubstanz in den Längskanten seiner Dielen (ProAir), um gesundheitsschädliche Stoffe wie Formaldehyd abzubauen. Durch Zirkulation der Raumluft gelangen Schad- und Geruchsstoffe über die Fugen mit dem ProAir-System in Kontakt und werden reduziert. Der Wirkmechanismus wurde mehrfach erfolgreich getestet und ohne Leistungsschwächung eine Wirkungsdauer von mindestens 44 Jahren nachgewiesen.

Zu den intelligenten Materialien zählen auch eben solche mit selbstheilenden Eigenschaften. Autolacke, die Kratzer selber verschließen können, oder Bootsrümpfe, die in der Lage sind, Risse eigenständig zu füllen. Nicht zuletzt beim Flugzeug werden die Potenziale selbstheilender Materialien mehr als offensichtlich. Nachdem die Wissenschaft in den letzten Jahren einige sehr erfolgversprechende Lösungen für selbstheilende Systeme präsentiert hat, sind nun die ersten Lösungen am Markt erhältlich. Einer der ersten Anbieter selbstheilender Lacke auf Polyurethanbasis ist Bayer. PU-Lacke verfügen aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung schon inherent über selbstheilende Eigenschaften. Bayer MaterialScience hat diese Qualitäten weiterentwickelt und für die Industrie nutzbar gemacht.

Die vorgestellten Materialien waren in der Ausstellung „Hello Materials“ vom 2. April bis 21. September 2012 im Dänischen Designzentrum in Kopenhagen zu sehen.

www.ddc.dk
www.movingcolor.net
www.matsui-color.com 
www.hwsands.com
www.akzonobel.com
www.d3o.com
www.parador.de

Bild: Thermosensitive Kacheln (Quelle: Moving Colour)