Die Demokratisierung der Energie

Neuer Markt für Energy Harvesting Produkte und smarte Energiesysteme

Euroscope
3-2015


Herausgeber

BASF

Der Umbau der Energieversorgung hat weitreichende Konsequenzen für die klassischen Industrien. Im BASF Mitarbeitermagazin Euroscope erklärt Dr. Sascha Peters, wie der Umbruch einen Markt für neue Energietechnologien und Produkte schafft.

Mitte 2011 proklamierte Angela Merkel das Ende der Atomenergie für Deutschland und löste damit einen radikalen Umbau unserer Energieversorgung aus. Mittlerweile gehen beachtliche 27 % der Bruttoenergieproduktion auf regenerative Energiequellen zurück. Ein Zwischenschritt aber auch nicht mehr! Den Gesellschaften steht eine vollständige Dekarbonisierung der Industrie bevor, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu halten. Dass sich die sieben großen Industrienationen bei ihrem Gipfel in Elmau darauf verständigten ist bemerkenswert, zeigt aber auch die Dringlichkeit, das Zeitalter der CO2-intensiven Energietechnologien aus dem 20. Jahrhundert endgültig zu beenden.

Innovationsschub in der Wissenschaft

Der Umbau der Energieversorgung hat aber nicht nur weitreichende Konsequenzen für die klassischen Industrien, es bietet vor allem auch einen neuen Markt für neue Energietechnologien und neue Produkte. Dies löst derzeit einen Innovationsschub in der Wissenschaft aus und lässt neue Unternehmen und eine Branche entstehen, an die bis vor wenigen Jahren nicht zu denken war. Denn die Energieversorgung soll so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig erfolgen, so wünscht es sich die Politik. Energie emanzipiert sich vom großen Netz und den etablierten Versorgern. Der Markt rückt in Richtung des Endkunden.

Und damit sind nicht nur Solarzellen fürs Eigenheim gemeint. Enerkite aus Berlin beispielsweise arbeitet derzeit an einem Flugdrachenkraftwerk, um die Flugbewegungen eines Kites in elektrische Energie für Kleingewerbe umwandeln zu können. Eine Vielzahl der Entwicklungen zielt darauf ab, die neben ihrer Funktion für den Personen- und Güterverkehr meist nicht genutzte Fläche befestigter Straßen und Wege für die Energieversorgung zu erschließen. So testen niederländische Wissenschaftler aus Delft im Projekt SolaRoad die Möglichkeit, mit Solarmodulen in Betonelemente für Fahrradwege einen Beitrag für die Energieversorgung zu leisten. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Forscher der Universität Kassel im Projekt Dyscrete durch Integration von Farbstoffsolarzellen in Betonelemente für Fassaden als aktive Flächen zur Überführung von Sonnenenergie in elektrische Energie. Das israelische Unternehmen Innowattech Energy Systems hat eine Technologie mit Piezogeneratoren vorgestellt, um Energie aus Verformungen durch vorbeifahrende Züge unter Schienen rückzuführen. Ein ähnliches System für Gehwege, Unterführungen und Treppenstufen in Sportstadien kommt vom Londoner Start-Up Pavegen. Hier ist das Konzept, Energiekleinstmengen aus den Schritten vorbeigehender Passanten zu gewinnen. 7 Watt pro Schritt sollen möglich sein, ausreichend um den Betrieb einer LED-Straßenbeleuchtung für 30 Sekunden zu gewährleisten.

Was für die großen Player nach Spielerei klingt, hat sich zu einem ernstzunehmenden Forschungs- und Geschäftszweig entwickelt, der in Fachkreisen unter dem Begriff Energy Harvesting (Energie ernten) zusammengefasst wird. In Zukunft werden uns diese Kleinstsysteme unabhängiger machen im Umgang mit der Mobilität elektrischer Geräte, ob mit triboelektrischen Kugelgeneratoren für die Hosentasche (Georgie Institute of Technology), Piezofasern für die Outdoorjacke (Fraunhofer ISS), Folien mit organischer Photovoltaik für den Rücksack (Belectric) oder die Ausnutzung biologischer Prozesse für den Betrieb eines Moos Radios (University of Cambridge).

Energy2Go heißt dann auch das Motto der Creator Space Tour, die BASF vom 20.-29. November 2015 anlässlich des 150 jährigen Jubiläums am Standort in Ludwigshafen durchführen wird. Ziel ist es, Anwendungsszenarien rund um smarte, dezentrale Energieprodukte zu gestalten und neue Geschäftsmodelle zu erdenken. Wenn man sich die Intensität des Wandels vor Augen führt, den wir seit der Proklamation des Ausstieg aus der Atomenergie erleben, können wir uns auf eine neue Branche mit Energieprodukten für den Endkonsumenten gefasst machen.

Bild: Energie durch vorbeigehende Passanten (Quelle: Pavegen)