Design Fabriken

Gestalter entwickeln neue Produktionsprozesse

Design Report
4-2013


Verlag

Konradin Medien (Stuttgart)

Obwohl die diesjährige DMY in den Hallen des stillgelegten Flughafens Berlin-Tempelhof ein wenig kleiner ausfiel als sonst, konnte man einige sehr interessante Entwicklungen entdecken, die insbesondere neue Möglichkeiten zur Herstellung von Designobjekten, Möbeln und Accessoires durch die internationalen Nachwuchsdesigner aufzeigten. Dabei deuten die Beispiele ebenso auf eine zunehmende Orientierung am Arbeiten mit organischen Rohstoffen und Abfällen hin, zeigen aber auch, dass bei der Verarbeitung von klassischen Werkstoffen wie Porzellan, Metall oder Ton immer noch Innovationen möglich erscheinen.

Ein Beispiel ist das Pressed Project des niederländischen Designers Floris Wubben. Denn er präsentierte eine Möglichkeit, wie man trotz Verwendung einer konventionellen mechanischen Presse Formteile auf Basis einer Epoxy-Tonmasse mit individuellem Charakter herstellen kann. Dabei wird die eingefärbte Masse beim Hineindrücken des Stempels rückwärts aus dem Zylinder befördert. Durch Bewegung, Ausrichtung und Rotation des Extrusionsbehälters kann das Formteil in Geometrie und Struktur beeinflusst werden.

Dass sich Designer zunehmend an Themen wie Nachhaltigkeit und biologische Abbaubarkeit orientieren zeigten die in der Ausstellung des aktuellen „adream“-Wettbewerbs präsentierten Projekte. So haben beispielsweise die Designerin Eva Marguerre und der Gestalter Marcel Besau zur Herstellung eines biologischen Verbundmaterials mit Brennnesselfasern einen Produktionsprozess unter Verwendung von Kartoffelstärke entwickelt. Die aus der Brennnessel gewonnenen Bastfasern werden zunächst zu großen Vliesen verarbeiten und anschließend mit dem Biokunststoff beschichtet. Der neue Werkstoff weist nach der Wärmebehandlung eine hohe Stabilität auf und kann mit natürlichen Pigmenten eingefärbt werden. Da lediglich natürliche Ressourcen zum Einsatz kommen, ist der Faserverbundwerkstoff biologisch abbaubar und hat damit große Chancen zur Verwendung in Kleinmöbeln.

Die generative Fertigung und vor allem das 3D Drucken durchläuft derzeit einen regelrechten Hype. Das dürfte jedem im letzten Jahr nach Berichten über Versuche zum Druck von tierischem Fleisch, Organen und sogar einer Raumstation auf dem Mond mehr als deutlich geworden sein. Doch nicht alle verfolgen die Entwicklung von Verfahren der digitalen Fabrikation mit der gleichen Euphorie, führt sie doch aktuell zu einer ebenso radikalen wie auch umstrittenen Dezentralisierung im Design. Am digitalen Produktionszentrum dpz der HBK Saar wird daher im Rahmen eines interdisziplinären und hochschulübergreifenden Forschungsprojekts untersucht, ob unter Einbehalten eines gewissen gestalterischen Niveaus Techniken für das computerbasierte 3D-Printing von Kunststoffen auch auf Keramikbauteile übertragen werden können. Die ersten Ergebnisse wurde auf der DMY präsentiert und überraschten trotz der Logik des generativen Workflows durch ihre gestalterische Individualität.

Dass trotz allen High-Tech Fabrikationsträumen auch handwerkliche Fertigkeiten auf einem Designfestival für Nachwuchsdesigner nicht fehlen durften, zeigten die Zwillingsschwestern Monika und Kasia Gwiazdowska aus Polen. Unter dem Namen Monomoka entstanden in den letzten 7 Jahren durch Nähen, Häkeln und Stricken 13 beeindruckende Möbelstücke, die sich aus Hunderten kleiner Stoffflächen zusammensetzen. Den Antrieb zur Verwendung der sich im Verschwinden begriffenen Häkel- und Stickereitechniken sehen die beiden Absolventen der technischen Hochschule Breslau in der Begrenztheit der Möglichkeiten in der Zeit des Sozialismus und Notwendigkeit zum Finden eigener Wege.

In der Sonderausstellung „Metalscapes“ war zu sehen, dass sich Designer in einem Land mit einer komplexen Forschungslandschaft deutlich anders orientieren. In einem Nebenraum des Flughafen Hangars waren Projekte von Studierende der Fachhochschule Potsdam ausgestellt, die in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz umgesetzt wurden. Auf Basis der Potenziale des inkrementellen Blechumformens und Arbeitens mit ultraleichtem Aluminiumblech entstanden eine Reihe interessanter Produktszenarien wie beispielsweise eine Handgelenk-Manschette, bei der 3D-gescannte Körperdaten in ein individuell angepasstes Produkt überführt werden; eine Leuchte mit polygonalisierten Reflektorschirm oder eine auf äußere Kräfte reagierende Blechsicken-Struktur.

Dass sich Blechstrukturen auch ohne Einsatz kostspieliger Werkzeugformen aufblasen lassen, hat der polnische Designer Oscar Zieta mit seinem PLOPP Hocker gezeigt. Im Rahmen der Ausstellung „Zukunftsnomaden“ zeigte er im Polnischen Institut in der Nähe der Museumsinsel in Berlin-Mitte seine Vorstellungen zu aufblasbaren Einrichtungsgegenständen, die sich leicht verpacken, weg transportieren lassen und wieder montieren lassen. Parameter der Volumenexpansion. Ob auf Erden oder sonst wo in der Galaxie!

www.floriswubben.nl
www.besau-marguerre.de
www.xmlab.org
www.monomoka.com
www.design.fh-potsdam.de
www.iwu.fraunhofer.de
www.zieta.pl

Bild: 3D gedruckte Keramikbauteile (Digitales Produktionszentrum dpz der HBK Saar)