Magnetische Kühlung im industriellen Maßstab
Magnetokalorik für effizientere Wasserstoff-Verflüssigung
9. August 2023
Bei der Transformation in eine CO2-neutrale Industrie und Gesellschaft spielt Wasserstoff als Energieträger eine entscheidende Rolle. Für Transport und Lagerung muss dieser verflüssigt werden, wobei ungefähr ein Drittel des Energieinhalts verloren geht. Bislang waren die Prozesse weitgehend unwirtschaftlich. Nun eröffnet sich durch die magnetokalorische Kühlung eine Technologie für den industriellen Einsatz.
Flüssiger Wasserstoff hat eine 70% höhere volumetrische Energiedichte als gasförmiger
Gemessen am heutigen Verbrauch verfünffacht sich nach Expertenmeinung der weltweite Bedarf an Wasserstoff bis 2050 auf rund 550 Millionen Tonnen. Zur Speicherung von Wasserstoff, sind jedoch große Energiemengen erforderlich, die den Prozess bislang unrentabel machen. In dem mit rund fünf Millionen Euro geförderten EU-Projekt HyLICAL will nun ein Team um das Start-up Magnotherm aus Darmstadt magnokalorische Technologien zur Speicherung von Flüssigwasserstoff deutlich verbessern.
Unter magnetokalorischen Materialien werden Stoffe verstanden, die ihre Temperatur unter Einfluss eines magnetischen Feldes ändern können. „Wir wollen eine alternative Technologie zur Verflüssigung etablieren, die auf dem Prinzip der magnetischen Kühlung beruht.“
„Wenn wir das mit dem herkömmlichen Kühlprozess bildhaft vergleichen wollen, würde ein Magnet die Rolle des Kompressors übernehmen und das magnetokalorische Material die des Kühlmittels. Ihr Zusammenspiel ermöglicht es uns, die für die Wasserstoff-Verflüssigung nötigen tiefen Temperaturen zu erreichen“, beschreibt Prof. Oliver Gutfleisch (TU Darmstadt) das dem Vorhaben zugrundeliegende Konzept.
Mit dem großen Ziel, die magnokalorische Kühlung für die Industrie konkurrenzfähig zu machen, wurde Magnotherm auf Basis langjähriger Vorarbeiten im Jahr 2019 aus der TU Darmstadt ausgegründet. Ein Getränkekühler für industrielle Anwendungen wurde jüngst ein erstes Produkt kommerzialisiert. Dieser ist Teil einer Sonderfläche, die Haute Innovation anlässlich der Subcontractor im November 2023 umsetzen.
„Unsere Technologie bedeutet zudem eine massive Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit, ganz ohne Kompressoren und umweltschädliche Kühlgase. So können wir die grüne Transformation beschleunigen“, erklärt Timur Sirman, einer der beiden Magnotherm-Geschäftsführer. HyLICAL ist nun der nächste Schritt in Richtung Tieftemperatur-Anwendung.
An der TU Darmstadt werden bereits magnetokalorische Materialien entwickelt, die im angestrebten Temperaturbereich arbeiten. Ein Beispiel ist die Legierung Lanthan-Eisen-Silizium (LaFeSi). „Zur Wasserstoff-Verflüssigung benötigen wir -253 Grad Celsius. Diesen sehr tiefen Temperaturen nähern wir uns durch Vorkühlung mit flüssigem Stickstoff, mit dem wir bis auf -196 Grad kommen. Die Differenz muss dann unser magnetokalorisches Material schaffen“, erklärt Gutfleisch.
Mit der Pilotanlage möchte das Team demonstrieren, dass die Wasserstoff-Verflüssigung nach dem magnetokalorischen Prinzip im Industriemaßstab umsetzbar und die Produktion von mehr als 5 Tonnen am Tag möglich ist. Der Einsatz kritischer Rohstoffe soll zudem zurückgefahren und der Energieverbrauch verglichen mit aktuellen Methoden um bis zu 50 Prozent auf unter 1,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff reduziert werden.
Das Konzept soll zudem zu Verflüssigungsanlagen führen, die in kleinem Maßstab und dezentral arbeiten können. Dieser Betriebsmodus macht die Technologie deshalb auch interessant für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Ebenfalls oftmals dezentral gewonnen, ließe sich deren Energie und Überkapazitäten auf diese Weise vorteilhaft in Flüssigwasserstoff speichern.
Im Juli 2023 haben Magnotherm und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) eine Entwicklungspartnerschaft geschlossen, um bis 2030 eine Großanlage zur Verflüssigung von Wasserstoff auf den Markt zu bringen. Das Forschungszentrum bietet dem Unternehmen Zugang zu modernen HZDR-Infrastrukturen sowie Know-how bei der Entwicklung von Anlagen und Prototypen an. Im Gegenzug stellt Magnotherm Expertise bei der Simulation und Herstellung von magnetokalorischen Legierungen bereit.
Bildquelle: HyLICAL
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