Polyurethane ohne Isocyanate
Kohlenstoffdioxid als Ausgangsrohstoff
6. Februar 2024
Polyurethane zählen zu den am häufigsten genutzten Kunststoffen. Sie kommen in Dämmstoffen ebenso vor wie in Matratzen, Schuhsohlen und Klebern. Bei der Herstellung des Kunststoffs kommen allerdings toxische Isocyanate zum Einsatz. Diese gilt es in Zukunft zu vermeiden. Fraunhofer Forschende haben ein neues Produktionsverfahren entwickelt und toxische Isocyanate durch andere Stoffe ersetzt.
Dicarbamat als Ersatz der Isocyanate
Forscherinnen und Forscher aus den Fraunhofer-Instituten für Angewandte Polymerforschung IAP, für Chemische Technologien ICT, für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT sind in einem Verbundprojekt neue Wege gegangen, um die Verwendung toxischer Materialien bei medizintechnischen Produkten auszuschließen.
Üblicherweise verwendet man für die Herstellung von Polyurethanen ein Baukastensystem aus drei Komponenten: Isocyanate, Kettenverlängerer und Polyole. Die Produkteigenschaften lassen sich über Rezeptur und Prozessparameter sehr genau steuern. Dabei entsteht wegen der hohen Reaktivität der Isocyanate meist in nur wenigen Minuten.
Leider sind Isocyanate toxisch und sensibilisierend und können alsoAllergien und Asthma auslösen. Deshalb hat die Europäische Chemikalienagentur EChA eine Beschränkung beschlossen: Seit 2023 dürfen nur noch speziell dafür geschulte Personen mit Formulierungen arbeiten, die mehr als 0,1 Prozent Isocyanat enthalten.
„Mit unserer neuen Synthese können wir auf die toxischen Isocyanate verzichten und somit sichere Produktionsprozesse ermöglichen. Das so produzierte Polyurethan ist als biokompatibel zertifizierbar“, erläutert Dr. Christoph Herfurth (Wissenschaftler am Fraunhofer IAP) das Ergebnis der Forschungsarbeiten. Dazu haben die Forschenden die Isocyanate durch Dicarbamat ersetzt.
„Anstelle fossiler Energieträger wie Erdöl oder Erdgas als Kohlenstoffquelle, nutzen wir Kohlenstoffdioxid und Polyurethan-Rezyklate“, erläutert Herfurth. „Auf diese Weise führen wir den Kohlenstoff im Kreislauf und sorgen dafür, dass weniger klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangt.“ Die grundlegende Funktionsweise des neuen Prozesses wurde im Labormaßstab bereits nachgewiesen. Aktuell geht es um die Optimierung der Abläufe und die Skalierung auf eine industrielle Ebene.
Im Projekt entstehen drei verschiedene Demonstratoren: Der erste besteht in nachhaltigen Schläuchen für die Medizintechnik. Hier werden nur vergleichsweise geringe Mengen an Polyurethanen benötigt. Das erleichtert die Einführung eines neuen Produkts.
In einem zweiten Fall werden am Fraunhofer IFAM Klebstoffe entsprechend dem Baukastensystem entwickelt, um Kanülen an den medizinischen Schlauch kleben zu können, beispielsweise für Katheter. Als dritter Demonstrator stehen Schaumstoffe auf der Agenda, und damit auch Verarbeitungstechnologien für Massenprodukte. Dabei arbeiten die Forschenden auch an nachhaltigeren Treibmitteln, um das Aufschäumen der Polyurethane zu gewährleisten.
Ein medizinischer PUR-Schlauch unter Verwendung von CO2 und Dicarbamat ist Teil unserer „Materialschätze„-Ausstellung im Futurium vom 4. Mai 2024 bis 30. Juni 2027 in Berlin.
Bild: Schläuche für die Medizintechnik aus Polyurethanen ohne toxische Isocyanate und gleichzeitig nachhaltig auf Basis von Kohlenstoffdioxid (Quelle: Fraunhofer IAP)
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