MMC Bremsbelag - Subcontractor

Bremsscheibe mit vermindertem Feinstaub

Tribokonditionierung reduziert Partikelabrieb im Straßen- und Schienenverkehr

22. April 2021

Feinstaub gefährdet unsere Gesundheit. Eine der Hauptquellen stellt der Verkehr dar. Durch die Verschärfung von Abgasnormen und die Einführung von Partikelfiltern konnten die Emissionen aus Verbrennungsmotoren zwar in den letzten Jahren wirkungsvoll reduziert werden, und mit dem Ausbau der Elektromobilität werden die Abgasschadstoffe in der Umwelt weiter zurückgehen. Doch was bleibt, sind Feinstaubbelastungen durch den Abrieb von Reifen und Bremsen im Straßen- und Schienenverkehr. Mit Technologien von Sigma Materials und Applied Nano Surfaces können jetzt Bremsstaubemissionen verringert werden.

Gesundheitsgefahren durch Bremsenabrieb

Wenn Autos vor der Ampel stoppen oder ein Zug am Bahnsteig hält, wirken auf die Bremsen enorme Kräfte ein. So ausgeklügelt moderne Bremssysteme mittlerweile auch sind, basieren die meisten Anlagen aber nach wie vor auf Scheiben aus Grauguss, die durch Abrieb verschleißen und regelmäßig ausgetauscht werden müssen. In der Vergangenheit hat sich kaum jemand die Frage gestellt, wo die abgeriebenen Metallpartikel letztlich verbleiben. Mit dem Fortschritt der Analysetechnik und einem wachsenden Problembewusstsein für potenzielle Gesundheitsgefahren durch Feinstaub gerät der Bremsenabrieb aber nun mehr und mehr in den Fokus.

Die Aufmerksamkeit von Umweltforschern und Gesundheitsexperten richtet sich insbesondere auf Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern, die offiziell als „Feinstaub“ bezeichnet werden, und mehr noch auf Teilchen mit Durchmessern unterhalb von 2,5 Mikrometern, die tief in die Atemwege eindringen und die Lunge und andere Organe nachhaltig schädigen können. Inzwischen steht fest, dass Bremsenabrieb einen hohen Anteil an solchen Partikeln aufweist. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) beziffert die jährliche Bremsstaub-Emission für Deutschland allein aus dem Straßenverkehr auf 14.000 Tonnen. Damit nicht genug, enthält Bremsstaub Partikel aus Metallen wie Kupfer, Eisen oder sogar Antimon, die wiederum gesundheitliche Schäden verursachen können, deren Ausmaß noch weitestgehend unerforscht ist. Derweil lagert sich der Bremsenabrieb entlang von Straße und Schiene weiter ab, wird im Vorbeifahren aufgewirbelt und gelangt in dicht besiedelten Gebieten allerorten in die Atemluft.

95 Prozent weniger Partikelausstoß

Wo immer das Prinzip einer Scheibenbremse genutzt wird, lässt sich der Abrieb feinster Partikel kaum gänzlich verhindern. Der Bremsvorgang setzt an der Oberfläche der Scheiben mechanische Kräfte frei und erzeugt Wärme, durch die Reibung werden immer wieder einzelne Teilchen aus den Materialstrukturen herausgerissen. Wie groß der Abrieb ausfällt, lässt sich aber sehr wohl beeinflussen, beispielsweise durch eine Beschichtung der metallischen Grundkonstruktion mit verschleißfesten Materialien wie Wolframkarbid. Mit der von Applied Nano Surfaces (ANS) entwickelten Tribokonditionierung kann der Bremsenabrieb sogar noch weiter reduziert werden: Die Bremsscheiben werden dabei in einem speziellen Verfahren der Oberflächenveredelung derart behandelt, dass sich ein so genannter „Tribofilm“ chemisch mit dem Scheiben-Werkstoff verbindet und auch bei hohen Materialbelastungen den Abrieb einzelner Teilchen drastisch mindert. Im Ergebnis entsteht nicht nur weniger Bremsstaub, die Haltbarkeit der Bremsscheiben wird zudem um ein Mehrfaches erhöht. Das funktioniert aber nur, wenn die Bremsscheiben aus speziellen Werkstoffen hergestellt werden.

Temperaturfest bis zu 800 °C

Zur Fertigung entsprechender Produkte eignet sich eine Technologie, die das ANS-Partnerunternehmen Sigma Materials entwickelt hat. Sigma Materials nutzt dafür so genannte Metall-Matrix-Compositlegierungen (MMC) mit Aluminium und/oder Titan als Basis, die je nach Anwendungszweck oder zur Verbesserung der Festigkeit mit Partikeln und Fasern aus anderen Materialien angereichert werden. Als Metall-Matrix-Compositwerkstoffe (MMC) durchlaufen die Legierungen einen speziellen Herstellungsprozess: Das Materialgemisch wird zu feinstem Pulver zermahlen und durch direktes Drucksintern zu kompakten Halbzeugen gepresst. Die Anwendung der Sinterung – also das Zusammenpressen des Pulvers unter hohem Druck und bei Temperaturen bis in die Nähe des Schmelzpunktes – führt dazu, dass sich die Inhaltsstoffe extrem dicht und homogen miteinander verbinden und weder außen noch innen Restporositäten aufweisen.

Bei Verwendung als Bremsscheibe verstärkt Sigma Materials die Reibflächen des MMC-Produktes mit speziellen und besonders harten Substanzen. Bei Kontakt mit dem angepassten Bremsbelag sorgt diese Struktur für die Bildung eines feinen Transferfilms zwischen den sich berührenden Oberflächen, der den Materialverschleiß zusätzlich reduziert. Zwar sind Bremsscheiben aus Leichtmetall an sich nichts Neues; solche Bremsscheiben vertragen aber lediglich Temperaturen bis zu einer Größenordnung von 450 °C und können daher nur bedingt als Alternative zu klassischen Graugussprodukten verwendet werden. Die von Sigma Materials hergestellten MMC-Bremsscheiben lassen sich hingegen selbst in Vorderachsbremsen integrieren, in denen während des Bremsvorgangs Temperaturen bis zu 700 °C entstehen können. Und verglichen mit konventionellen Bremsscheiben aus Grauguss, beschichtet oder nicht, fällt der Partikelausstoß bei MMC-Produkten sogar um bis zu 95 Prozent niedriger aus.

www.sigma-materials.de
www.appliednanosurfaces.com

Bild: Mit Hilfe der MMC-Technologie können extrem kompakte und hoch belastbare Verbundwerkstoffe geschaffen werden. Die hellen Flächen auf dem Schliffbild bestehen aus einer Aluminium-Titan-Mangan-Matrix, bei den dunklen Punkten handelt es sich um keramische Hartpartikel. Während konventionelle Aluminium-Legierungen typischerweise bei 560 °C schmelzen, bleibt dieses Material bis über 1.000 °C stabil. (Quelle: Sigma Materials)