Stärkstes Biomaterial der Welt entwickelt

Stoff aus Zellulose-Nanofasern ist fester als Stahl und Spinnenseide

20. Mai 2018

Schwedische Wissenschaftler berichten von der erfolgreichen Entwicklung des derzeit stärksten Biomaterials der Welt auf Basis von Zellulose-Nanofasern. Am Hamburger Forschungszentrum Desy hat ein Forscherteam um Daniel Söderberg von der Königlichen Technischen Hochschule (KTH) aus Stockholm an der Röntgenlichtquelle Petra III Fäden aus Zellulose-Nanofasern mit außergewöhnlicher mechanischer Festigkeit herstellen können. Das biologisch abbaubare Material übertrifft mit einer Biegesteifigkeit von 86 Gigapascal und einer Zugfestigkeit von 1,57 Gigapascal sogar Stahl und Spinnenseide, die bisher als das stärkste biologische Material galt.

Nur etwa 2 bis 5 Nanometer dünn und bis zu 700 Nanometer lang

Neben den außergewöhnlichen mechanischen Qualitäten überzeugt das Material durch sein geringes Gewicht, was es für zahlreiche Leichtbauanwendungen in der Luftfahrt oder im Automobilbereich als Kunststoffalternative interessant werden lässt. „Unser neues Material hat auch Potenzial für die Biomedizin, da Zellulose vom Körper nicht abgestoßen wird“, erläutert Söderberg. „Unsere Nanozellulosefäden sind achtmal steifer und einige Male zugfester als die Abseilfäden aus natürlicher Spinnenseide.“

Die Forscher nutzten kommerziell angebotene Zellulose-Nanofasern, die nur etwa 2 bis 5 Nanometer dünn und bis zu 700 Nanometer lang sind. Im Prozess wurden Zellulosefasern in Wasser durch einen lediglich ein Millimeter breiten Kanal in einem Stahlblock transportiert. Entionisiertes Wasser und solches mit einem niedrigen pH-Wert wurden hinzugegeben. Das führte dazu, dass sich die Fasern zu einem eng gepackten Faden verbanden, indem sie durch supramolekulare Kräfte aneinanderhafteten. Ein Klebstoff wurde nicht benötigt. Im hellen Röntgenstrahl von PETRA III ließ sich der Prozess im Detail verfolgen und optimieren.

„Wir können jetzt die überragende Leistung aus dem Nanokosmos in den Makrokosmos übertragen“, erklärt Söderberg. „Ermöglicht wurde diese Entdeckung durch die Entschlüsselung fundamentaler Schlüsselparameter für die perfekte Nanostrukturierung wie beispielsweise Partikelgröße, Wechselwirkungen, Ausrichtung, Ausbreitung, Netzwerkbildung und Gruppierung.“ Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Produktionskosten des neuen Materials auf das Niveau von besonders festen synthetischen Stoffen bringen lassen. Nach Aussage der Wissenschaftler kann der Prozess in Zukunft auch genutzt werden, um die Gruppierung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen oder anderen Nanofasern zu steuern.

Den gesamten Forschungsbericht findet man unter: pubs.acs.org/doi/10.1021/acsnano.8b01084

Bild: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer fertigen Faser (Foto: Nitesh Mittal, KTH Stockholm)