Stabil wie ein Seeigelstachel

Entwicklung besonders bruchfester Zementwerkstoffe

27. Dezember 2017

Forscher der Universität Konstanz haben einen Zement entwickelt, der sich an der Struktur eines Seeigelstachels orientiert. Nach Angaben der Wissenschaftler kann eine Bruchfestigkeit erreicht werden, die die Werte von Materialien wie Stahl um ein Vielfaches übersteigt.

Nanostrukturierter Zement mit der Bruchfestigkeit von 200 Megapascal

Die Stacheln von Seeigeln bestehen hauptsächlich aus Kalk, einem brüchigen und spröden Material. Unter dem Mikroskop erkennt man jedoch, dass die geordneten kristallinen Schichten aus Kalk in einem weicheren Material aus amorphen Schichten von Kalziumkarbonat eingebettet sind. Wird der Stachel belastet, überträgt sich die Druckenergie in die weicheren Schichten. Obwohl sich die spröden Schichten aufspalten, werden sie durch die weichen Bereiche stabilisiert. Das vollständige Materialversagen wird verhindert. Ähnliche Prinzipien finden sich auch in Muschelschalen oder in Knochen.

Projektleiter Prof. Dr. Helmut Cölfen vergleicht die spezifische Bauweise gerne mit einer einfachen Ziegelmauer. Auch hier liegt das Geheimnis der Stabilität in der Mischung aus harten Steinen und weichem Mörtel. Dieses Prinzip konnten die Wissenschaftler auf Nanoebene umsetzen, in dem sie Partikel ausfindig machen konnten, die ausschließlich an Zementpartikeln haften bleiben. Bisher sind ihnen zirka 10 negativ geladene Eiweißkombinationen bekannt, die sehr gut kleben.

„Unser Zement, der deutlich bruchfester ist als alles, was in diesem Bereich bislang bekannt ist“, erklärt Cölfen sein Ziegelstein-Mörtel-Prinzip. Anhand einer 3 mm großen Testprobe konnte im Labor eine Bruchfestigkeit von 200 Megapascal errechnet werden. Der Wert beschreibt die elastische Verformung der Probe bei vorherigem Druckaufbau. Muschelschalen kommen bei ähnlichen Tests auf 210 Megapascal, herkömmlicher Beton erreicht lediglich Werte zwischen 2–5 Megapascal. Skaliert man die Ergebnisse in architekturrelevante Maßstäbe, können zukünftig Höhenweltrekorde für Wolkenkratzer problemlos eingestellt werden. Das Team denkt bereits weiter und beschreibt das Potenzial hinter der Idee „kontrollierten Ordnung auf Nanoebene“ für andere Materialien. Schließlich gibt es in der Natur weit aus stabilere Alternativen für Kalk.

Forschungsbericht unter: www.sciencedaily.com/releases/2017/11/171129150927.htm

www.uni-konstanz.de

Bild: Struktur eines Seeigelstachels durchs Mikroskop gesehen (Quelle: Universität Konstanz)