Herzmuskelgewebe aus Spinnenseide

Patch aus dem 3D-Drucker soll geschwächte Herzen zu neuer Kraft verhelfen

28. April 2019

Knapp 300.000 Menschen erleiden in Deutschland pro Jahr einen Herzinfarkt. Auch wenn viele Betroffene diesen überleben, bleibt ihr Herz ein Leben lang geschwächt. Denn das bei einem Herzinfarkt abgestorbene Muskelgewebe kann sich nicht regenerieren. Das Gewebe vernarbt und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit des Herzmuskels. Forscher an den Universitäten Erlangen und Bayreuth arbeiten an einem 3D-gedruckten lebenden Gewebe mit Spinnenseide, das zukünftig schwache Herzen zu neuer Kraft verhelfen soll.

Therapie von Herzmuskelerkrankungen mit Spinnenseide

Spinnenseide besteht hauptsächlich aus Proteinen, die mit dem menschlichen Körper kompatibel sind. Die Medizintechnik nutzt Spinnenseide bislang als Wundabdeckung oder zur Beschichtung von Implantaten, die sich häufig aufgrund körpereigener Immunreaktionen entzünden oder sogar gänzlich vom Patienten abgestoßen werden. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die Eigenschaft, dass Spinnenseide quasi unsichtbar für den menschlichen Organismus ist. So können Fremdkörper wie z.B. Implantate oder künstliche Herzklappen unter einer Schicht Spinnenseide versteckt werden. Forscher setzen die einzigartige Fähigkeit der Seide mit dem Stealth-Modus gleich oder beschreiben das Material als Bio-Shield.

Zudem eignet sich das Material sehr gut als Gerüst, um Herzmuskelzellen zu züchten. Im Fokus der Forschung steht das Protein Fibroin, das der Seide ihre Struktur und mechanische Festigkeit verleiht. Mit der Entwicklung eines rekombinierten Seidenproteins der Gartenkreuzspinne mithilfe von E. coli Bakterien gelang es Prof. Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien an der Universität Bayreuth, das Material in größeren Mengen künstlich zu produzieren. Seine künstliche Spinnenseide steht dabei dem Original aus der Natur in Nichts nach und wird vom Forscherteam rund um Dr. Felix Engel von der Universität Erlangen verwendet, um funktionstüchtige Herzmuskelzellen zu züchten.

In Gelform lässt sich das künstliche Seidenprotein sogar mittels 3D-Drucker zur Herstellung von Herzmuskelgewebe nutzen. Dabei wird eine Kombination aus lebender Materie additiv aufgebaut. Je nach Bedarf kann eine Mischung aus Herzmuskelzellen, Seidenproteinen und Blutgefäßzellen beliebig aufgebaut werden. Erste Tests aus dem Jahr 2017 zeigen, dass sich ein gedruckter Herzmuskelstrang zum Leben erwecken lässt und tatsächlich zu Schlagen beginnt. Die Forscher planen derzeit ein 3D-gedrucktes Gewebepatch, das wie eine Art Pflaster auf das beschädigte bzw. vernarbte Herzmuskelgewebe aufgelegt wird und das Herz nach dem Anwachsen zur ursprünglichen Kraft und Leistungsfähigkeit verhelfen soll.

Einen vollständigen Forschungsbericht findet man unter: www.fau.de/2017/08/news/wissenschaft/ein-herz-aus-spinnenseide

Bildquelle: Prof. Thomas Scheibel