Alternativen suchen
Peter Quester im Interview mit Dr. Sascha Peters
Trennt Magazin, Oktober 2011
Berliner Stadtreinigungsbetriebe
Die Bedeutung von Green Design steigt. Was wir in den letzten Jahren unter Kreativen beobachten, wird schon bald die gesamte Gesellschaft erfassen. In einem Gespräch für das Trennt Magazin betont Dr. Sascha Peters die Notwendigkeit zu einem Umdenken beim Ressourcenverbrauch und der Bedeutung zu einem Denken in geschlossenen Materialkreisläufen.
Quester: Herr Peters, warum ist Green Design gerade jetzt so ein großes Thema?
Dr. Sascha Peters: Der Handlungsbedarf ist groß genug. Stichwort Klima. Und wenn ich an die Tankstelle gucke, da sind wir bei 1,60 €. Das sind 3,20 DM! Da muss man Alternativen suchen. Unsere Kunststoffwelt basiert ja noch auf Erdöl.
Quester: Wonach beurteilen Sie, ob ein Material nachhaltig ist?
Sascha Peters: Nachwachsend ist eine Fassette. Aber nicht immer: Ob Kunststoff aus Maisstärke nachhaltig ist, steht in den Sternen. Da muss ich Mais anbauen und hab oft Monokultur, Überdüngung… Und in Mexiko werden die Tortillas teurer. Ich kann nicht sagen, ob Material nachhaltig ist, ohne den Einsatz zu kennen. Ökobilanzen macht man ja für Produkte, nicht für Materialien.
Quester: Können Sie trotzdem sagen, welche Kriterien wichtig sind?
Dr. Sascha Peters: Wiederverwendbarkeit. Das Gewicht, also ob für den Transport viel Energie benötigt wird. Und Multifunktionalität. Es gibt z.B. Glas, das auf Sonneneinstrahlung reagiert. Im Sommer verdunkelt es sich, eine natürliche Kühlung. Und im Winter lässt es alle Sonne rein, das spart Heizenergie.
Quester: Welche Haupttrends gibt es?
Ganz klar Biokunststoffe und überhaupt Biomaterial, etwa die Renaissance des Linoleums. Dann Materialien ohne Zusätze, ohne Bleichmittel oder Färbung. Der Leichtbau. Und Nano-Materialien. Aber da sind noch alle vorsichtig, weil keiner den Asbesteffekt noch mal erleben will.
Quester: Gibt es Neues aus Altpapier?
Eine Vielzahl von Designern wagen sich aktuell an Papierpulpe heran. Dafür wird nasses Altpapier gestampft, dann gepresst und getrocknet. Das wird ziemlich fest, gut für Möbel oder Gefäße. Da gibt es in Berlin ein Label: ett la benn, die machen schöne Sachen.
Quester: Geht so was auch im industriellen Maßstab?
Isofloc zum Beispiel macht seit 25 Jahren aus alten Zeitungen Dämmmaterial. Oder Paperfoam, die stellen aus aufgeschäumtem Altpapier Verpackungen her. Für CDs. Und jetzt fürs iPhone.
Quester: Was ist mit Altglas oder den Kunststoffen aus der Tonne?
In Italien gibt es eine Firma, Bio-Glass, die machen aus 100% recyceltem Glas tolle Bauplatten fürs Interior Design. Aus Kunststoff macht das Smile Plastics. Die schmelzen alte Gummistiefel oder Handyschalen so ein, dass man die am Ende noch in der neuen Kunststoff-Bauplatte wiedererkennt. Das sieht witzig aus.
Quester: Das ist also nicht das Plastik vom grünen Punkt?
Dr. Sascha Peters: Eher das aus der neuen Wertstofftonne.
Quester: Gibt es neues, grünes Verpackungsmaterial?
Ja, Schaumstoff auf Basis von Pilzen. Da werden organische Reststoffe wie Weizen- oder Reisspelzen mit einer Nährlösung und einer Pilzkultur besprüht. Dann spinnt der Pilz Fäden um die Spelzen – bis eine feste Schicht entsteht. Damit kann man Styropor ersetzen und elektrische Geräte verpacken. Danach lässt sich das ganz natürlich kompostieren.
Quester: Funktioniert das auch im großen Maßstab?
Ja, klar. Da gehen ja aus der ganzen Landwirtschaft vom Korn oder Reis die Reste. Das war bisher immer nur Abfall und wurde direkt kompostiert oder verbrannt.
Quester: Welches Material hat Sie selbst am meisten verblüfft?
In Holz ist Lignin, das schmilzt bei 70-80 °C, ist also thermoplastisch. Ein paar Schweizer haben jetzt etwas rausgefunden. Die haben zwei Holzplatten aufeinandergelegt und mit 100 Hertz Ultraschall in Schwingung gebracht. Die Schwingung erhitzt das Lignin, es schmilzt und läuft in die Poren der anderen Holzplatte. Das klebt also, 100 % Bio. Kein extra Kleber nötig. Man wusste schon lange, dass Lignin thermoplastisch ist. Aber bisher war niemand auf Ultraschall gekommen. Genial: Holz bringt seinen eigenen Holzleim mit.
Bild: Interieurobjekt aus Papierpulpe (ett la benn, Berlin)
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