Mode aus Algen, Sneaker aus Kaffeesatz

Innovative, nachhaltige und smarte Textilien

Design Report
1-2019


Verlag

Rat für Formgebung Medien (Frankfurt)

Algen-und Orangenleder

Nachhaltig zu produzieren, steht ganz oben auf der Agenda. Immer häufiger kommen textile Innovationen aus biobasierten Ressourcen und smarte textile Systeme auf den Markt.

Natürlichen Ursprungs

Fasern aus Orangenschalen
Das Unternehmen Orange Fiber aus Sizilien hat ein patenrechtlich geschütztes Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, aus Orangenschalen Garne und Stoffe herzustellen. Die beiden Firmengründerinnen bauten dabei ihre Herstellungsmethode auf der bereits bekannten Beobachtung auf, dass man Zellulose aus den Schalen diverser Zitrusfrüchte extrahieren kann. Der Durchbruch, den Bestandteil in ein Garn zu überführen, gelang schließlich durch Zusammenführung von weiteren chemischen Reagenzien, die es ermöglichen, das Garn mit Fasern wie Baumwolle, Seide oder Polyester zu verbinden.

Leder aus Früchteresten
Auch im Studiengang „Innovatives Produktdesign“ an der Hochschule Niederrhein tüftelt die Designerin Elise Esser an biologisch abbaubaren Textilien auf Basis von Orangenschalen. Für ihr neu entwickeltes Material mischt sie kleine Mengen des Polysaccharids Alginat, das aus Rotalgen gewonnen wird, mit zerfaserten Orangenschalen. Durch diese schonende Weiterverarbeitung des organischen Reststoffs erhält sie nicht nur die leuchtenden Farbpigmente aus den Fruchtschalen sondern auch die angenehm duftenden ätherischen Öle.

Alginat, Essig und Glycerin
An der KHB-Weißensee in Berlin dreht sich für die Textildesignerin Juni Sun Neyenhuys alles um Algen. In ihrem Projekt „AL G.“ wird mit schicken Textildesigns vor allem auf die ästhetische Farbvielfalt des grünen Hoffnungsträgers eingegangen. Zwar ist es dank E.S. Stevens und seinem Werk „Green Plastics“ kein Geheimnis mehr, aus Algen bzw. Alginat, Essig und Glycerin Biokunststoff herzustellen., jedoch hat noch kein Designer vorher das Gemisch erfolgreich in ein Garn überführt. Das Ergebnis sind einzigartige Gewebe, die nicht nur ästhetisch wirken, sondern auch dem Thema „Fast Fashion“ kreislauffähige Alternativen aufzeigen.

Textilien aus Holz

NUO – Gelasertes Furnier
Es sieht aus wie normales Holzfurnier ist jedoch flexibel und wirkt wie Leder. Die Kombination aus flexiblem Baumwollstoff als Trägermaterial mit der geometrischen Kleinteiligkeit des sonst starren Materials Holzfurnier erlaubt eine Anwendung für Taschen und Schuhe oder Möbelstoffe. Je nach Kundenwunsch kann in die Holzart, Farbe und die geometrische Struktur der Oberfläche variiert werden. Geschützt wird die Oberfläche entweder durch Wachs, Öl oder wasserbasiertem Lack.

REwoodable
In Zusammenarbeit mit dem WKI Fraunhofer haben Esther Kaya Stögerer, Tilman Holz und Nicole Dietz Holzkompositmaterialen entwickelt, die frei von gesundheitsbedenklichen Bindemitteln sind, keine giftigen Gase ausdünsten und sich verträglicher in den Materialfluss rückführen lassen. Das Projekt zeigt in vielfältiger Weise wie man das vom Fraunhofer WKI entwickelte ligninbasierte Bindemittel mit Holzstaub oder Sägespäne in neue Produkte wie Plattenmaterialien, Filamente für den 3D-Druck oder Gemische mit Naturkautschuk als flexiblen Strang für Textilien verwandeln kann.

Wasserfilter auf Basis von Holzzellulose
Über 1 Milliarde Menschen haben aufgrund schlechter Infrastruktur oder wegen Chemikalien und Pestiziden verseuchten Wasser keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser. Forscher am KTH Stockholm bieten mit ihren antibakteriellen Zellulosefasern, die aus unterschiedlichen Baumarten gewonnen und in ein positiv geladenes Polymer getränkt werden eine nachhaltige Lösung an. Die Kombination zieht Bakterien und Viren, die negativ geladen sind, an und halten sie fest. Im Gegensatz zu den bisher genutzten Sandfilteranlagen oder textilen Filtersystemen lösen sich bei dieser Methode weder Gifte noch Toxine im Wasser. Nach dem Gebrauch kann das Filterpapier sogar verbrannt werden.

Smarte Fasern

Elektrisch leitfähiges Papier
KOHPA ist das erste Papier mit elektrisch leitfähiger Funktion, das auf der Integration von Kohlenstofffasern in eine Zellulosematrix basiert. Die Kohlenstofffasern werden durch pyrolytische Verarbeitung aus Verbundmaterialien extrahiert. Das Papier reduziert auch die elektromagnetische Strahlung und eignet sich zur elektrischen Abschirmung oder zum Schutz vor elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Strahlung. Es gibt unbegrenzte Möglichkeiten im Bereich der Wärmeabgabe. Böden und Wände sind ebenso leicht zu erwärmen wie schwer zugängliche Bereiche und komplexe Formteile.

InFoamPrinting
Das Technologie-Forschungsprojekt „InFoam Printing“ von Covestro in Zusammenarbeit mit den Designstudenten Dorothee Clasen, Adam Pajonk und Sascha Praet untersucht das Verhalten von Weichschaumplatten durch die Injektion eines Zweikomponenten-Kunstharzes. Mittels 3D-Drucker können einzelne Bereiche bzw. Stränge so exakt versteift werden, dass sie bei Druck auf die Oberfläche, die Richtung des aufliegenden Objektes ändern können. Heißt im Klartext, man könnte das Polstermaterial eines Autositzes so manipulieren, dass es dem Nutzer hilft den Körper beim Einsteigen in Fahrtrichtung zu drehen. Auch eine starre Stabilisation des sonst recht fragilen Weichschaums für Möbel ist denkbar.

4D Textilien
Unter „4D-Textilien“ werden 3D bedruckte vorgespannte Textilien verstanden, die sich nach Entlastung in ihrer Form verändern. Die Verformung ist dabei ohne externe Energiezufuhr möglich, da die benötigte Energie im Textil bereits gespeichert wurde. Am ITA der RWTH Aachen wurde dass Prinzip so auf einen auf einen Handschuh als Exoskelett zu übertragen, dass Menschen mit Greifschwäche in ihren täglichen Bewegungsmustern unterstützt werden können.

www.orangefiber.it
www.hs-niederrhein.de
www.kh-berlin.de
www.nuo-design.com
www.kth.se
www.kohpa.de
www.covestro.com
www.ita.rwth-aachen.de

Bild: Schuhe aus Orangenleder (Design: Elise Esser, Düsseldorf)